
Funken.Klagen
Gedichte
Dine Petrik
ISBN: 978-3-99028-542-8
21×12 cm, 88 Seiten, Klappenbroschur
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Kurzbeschreibung
… Eine verbale Tour de Force, der Ahnung freien Lauf lassend, den Wortblitzen. Aufgeschnappt Momentanes, alltäglich Allfälliges, dunkle Ahnungen von Musik, auftauchende Mythen und ein abtauchendes Ich, Reduktion und Fülle zwischen den Zeitlinien, im Focus Außen- und Innenbild und ein Sehnen, auch den Formen der Liebe einen Standplatz zu geben, der den Konflikt ebenso trägt wie das schwierige Verstehen des erkundeten Gegenübers …
Rezensionen
Christoph Janacs: [Rezension][…] Dine Petrik […] schreibt in ihrem jüngsten Gedichtband Funken.Klagen von Bedrohung und Zerstörung (Fukushima, Palmyra), von Politik und Gesellschaft durchwirktem Privatleben (Kinder, Frauenrolle), von Mythen und Reisen und setzt ebenso Reime und Assoziationen ein, aber schon die Überschrift der drei Teile – burlesk, pittorest, grotesk – zeigen, wohin die Richtung geht: Ins Bitter-Ironische, um eine Wirklichkeit darzustellen, der, laut Dürrenmatt, nur noch durch die Komödie beizukommen ist.
Dazu passt, dass die Gedichttitel kursiv und in Klammern gesetzt sind, als handle es sich dabei um schnell hingesagte Aperçus. Aber schnell hingesagt ist bei Petrik gar nichts: sehr genau konstruiert sie ihre Gedichte, dekonstruiert zugleich die Sprache und schlägt Funken aus den Wörtern (»auf die dur lass ich es sein«, »frühpension / in rünstig-rüstiger / demenz«).
Doch der Grundton ist elegisch, klagend: sie spricht vom »strahlend verstrahltem grün«, dass die Kindheit »kein Wort für liebe« sei, und im Eingangstext über Palmyra bringt sie die Tragik und den Skandal in nur zwei Versen auf den Punkt: »das gedächtnis der Welt in gefahr / durch einen mob ohne gedächtnis«.
(Christoph Janacs, Rezension in: Literatur und Kritik #509/510, November 2016, S. 95)
Wolfgang Ratz: [Rezension]
Nachdenklich beginnt dieses Buch (nach einem Flaubert-Zitat) mit der vorangestellten Hommage an Palmyra, die von der Terrormiliz IS schwer verwundete syrische Oasenstadt. In einem Text, der wohl nicht zufällig im Schriftbild an ein Sonnett erinnert, lässt Petrik die Epochen und Völker vorbeiziehen bis zum bitteren Schluss: das gedächtnis der welt in gefahr/ durch einen mob ohne gedächtnis. Auch in ihrem neuen Lyrikband ist Petriks Stimme eigen und unverwechselbar trotz einigen Verweisen auf verwandte Dichterinnen, der Ton sarkastisch, doch auch mit-leidend, wütend und wehmütig, der Inhalt zeitlos und zeitbezogen zugleich.
Burlesk, pittoresk, grotesk … Die drei Abschnittsüberschriften (interessanterweise alle drei aus dem Italienischen abgeleitete Lehnwörter, die in der Ursprungssprache aus den Wörtern für Scherz, Malerei und Höhle gebildet wurden) sind nur bedingt als Wegweiser geeignet und jedenfalls keine Schubladen, in die Petrik Themen und Töne feinsäuberlich abgelegt hätte. Wie schon in früheren Gedichten zeichnet auch die neuen Texte oft ein collageähnliches Schreibverfahren bzw. Schreibergebnis aus. Unter anderem wird in BURLESK ein Promi durch einen dem Thema angemessenen Kalauerkakao gezogen. Mascherl und Lackschuh, Society und Pseudokultur kriegen ebenfalls ihr Fett ab. Böse Texte sind das, deren Bitterkeit auch vor der Autorin nicht halt macht.
Und dann ein anderer Ton, eine andere Stimmung. Nach zwei Elfriede Mayröcker gewidmeten Texten [… leuchtest voraus ins mühelos der worte …] lesen wir unter dem Titel (nichts mehr): jetzt, wo ich die letzten toten/ dem heimatboden überließ/ will ich drei nächte wachen/ sehen, ob mir was bleibt// die erste bringt ein regenmeer/ die zweite treibt mir eine krücke her/ die dritte hält in frostiger hand/ jene laterne/ die ich als kind gekannt –/ was brauch ich mehr.
Das Stakkato früherer Lyrik schlägt oft durch, doch alles in allem wird weniger „gerappt“ und mehr gesungen, wenn der Vergleich gestattet ist. Mehr geflüstert auch – und laut aufgeschrien zuweilen. Trotz harter Realitäten, klarer Benennungen überrascht dann manchmal ein traumhaftes Verschwimmen, ein Flirren und Verwirren, das sich buchstäblichen Deutungen in den Weg stellt. „Technisch“ fallen Reime und Assonanzen auf, wobei die Reime sich ganz und gar nicht als anachronistische Behübscher sondern eher als Spottverse [… die vespa schrott/ wegen sechs krügel bock …] gebärden, besonders im letzten „grotesken“ Teil. Ironie und Sehnsucht, Wehmut und Horror wechseln sich quer durch das Buch ab und so erfüllen auch die verwendeten Stilmittel wie Zeilenumbrüche, Klammerausdrücke etc. je nach Grundstimmung unterschiedliche Aufgaben.
Besondere Bedeutung kommt geografischen und historischen Koordinaten zu. Alte Kulturräume und drohende Kulturuntergänge, Naher und Ferner Osten – Dine Petrik, immer schon von Archäologie fasziniert, aber auch scharfsinnige Beobachterin heutiger globaler Entwicklungen, seismografiert Veränderungen, nimmt Bezug auf Mythen, stellt archaische Überhöhung neben private Anekdoten. Ein großes Wissen und Wissenwollen speist den Fluss ihres Schreibens, doch die Gedichte kommen nicht enzyklopädisch daher, der poetische Atem verwandelt und bindet ein: wir sind schon hier gewesen/ sahen uns als unverwundbar/ bis das perlmuttcape unserer/ rücken brach: flutwellen/ warfen uns an die ufer/ nackt ehe die zeit anfing [aus: (früher als)]
Besonderen Eindruck hinterlassen auch die Gedichte, die Kindheit und Heimat gewidmet sind. Deren letztes und auch das letzte dieses Buchs trägt den Titel (lach nur) und beginnt mit der Strophe: meine erinnerung an dich –/ den letzten blick warfst du mir/ von oben herab/ als schweren sack um den hals/ vom lastwagen oben/ die TBC-marke im rechten ohr/ dein passagierschein zur schlachtbank/ glitzerte in der sonne […]
Ein bemerkenswert dichtes Buch, das auf knappem Raum einen weiten Bogen spannt.
(Wolfgang Ratz, Rezension im Buchmagazin des Literaturhaus Wien, veröffentlicht am 5. Dezember 2016)
https://www.literaturhaus-wien.at/review/funken-klagen/
Eva Riebler-Uebleis: [Rezension]
Zum Heftthema Venedig passend vereint dieser Lyrikband der im Burgenland geborenen, in Wien lebenden Autorin Gedichte mit mal bedächtig vorwärts schreitendem und dann wieder übermütig springendem, überspringendem Inhalt.
Das Vorwort von Flaubert weist schon darauf hin, dass der Dichter nie genau angeben kann, was ihn schmerzt und die Überfülle der Seele manchmal in die leersten Bilder überfließt. – Dies charakterisiert wahrlich ihre lyrischen Ausarbeitungen. Weit ausholend, großflächig und von innen wie von außen besehen, trägt sie doch immer wieder zum Thema etwas bei und findet zurück zur Überschrift und nagt mit spitzer Feder an den Gedanken.
Nebel durchziehen ihre Schauplätze – S. 13 (annebeln) schon wird der tag/ mit spitzer feder abgenagt/ der abend schwelt im kochtopf/ nebel hängt im fenster wie gardinen/ geifernd nach emotionen – …
Oft weiß die Autorin ein Thema mit Augenzwinkern zu behandeln oder zu beenden, wie z.b. Themen über das Alter (über ich), das Schamgefühl (logen fassen) oder den Verlust der Jungfräulichkeit (hymenlos) usw. und zeigt auch Witz bei ihren Fudschikama-Gedichten, bei denen man förmlich in der Gondel sich sitzend fühlt und die vorbei pendelnde Landschaft samt heißen Quellen und Dampf so sichtbar bzw. unsichtbar wird, wie das eigene Spiegelbild im Kratersee.
Ein tolles Werk in der Komposition und sorgfältig in der Ausarbeitung!
Eigenständig und höchsteigenwillig und meist angenehm skurril in der Sprache und Wortwahl. Ideenreich und intelligent in der Wahl und Verarbeitung von Inhalten und nie provozierend oder mit pädagogisch wertvollem Zeigefinger die Hand erhebend!
Den Gedankenblitzen geht weder das Feuer noch die Luft aus.
Fazit: Ein außergewöhnlicher Gedichtband mit starker Anziehungskraft!
(Eva Riebler-Übleis, Rezension in: etcetera. Literatur und so weiter, #66: Venedig, Dezember 2016)
Christine Huber: [Rezension]
[…] Es gibt drei Kapitel: »burlesk«, »pittoresk« und »grotesk«. Allen gemeinsam ist, dass die Überschrift kursiv ist und in Klammern – als ob sie nur ein beiläufiges, wie Flüstern, angesiedeltes Etwas wären. Und allen Gedichten gemeinsam ist, dass oft mehrere Techniken zusammengeholt sind. Da gibt es Assonanzen, nah an der Wortwiederholung (nur ein Buchstabe verändert) – Zeilenbrüche, die ein Flattern des Sinns evozieren, Satzzeichen, vor allem der Bindestrich, der den Vers ins Leere laufen lässt, Wortfolgen, am Klang entlang gearbeitet usw.
Was aber passiert wirklich: es ist ein ortloses Verorten, ein Auf- und Abtauchen von Bezügen – so auch die Verwendung von „ich/ wir/ er“ – mal relevant, mal nicht vorhanden – bleibt es im Endeffekt immer unbestimmt, was gerade verhandelt wird – und ob es eine Außen- oder eine Innenperspektive ist oder beides gleichzeitig. So gibt es es mal ein „da“ und ein „hier“ und es ist gleich wieder weg, was da war – und ankommen ist nicht. Vieles wird angesprochen – und jede Feststellung, jedes Festmachen wird sofort wieder unterwandert – gleichsam im selben Atemzug. […]
(Christine Huber in der Moderation zum Dicht-Fest der ‚Poliversale‘ am 4. Juli 2016 in der Alten Schmiede in Wien)
Petra Ganglbauer: [Rezension]
Eine entschiedene, souveräne lyrische Stimme artikuliert sich im vorliegenden Band, eine Stimme, die von großer Produktivität spricht.
Dine Petrik, Verfasserin zahlreicher Bücher, steckt konsequent verschiedenste inhaltliche Bereiche ab und doch liegt über dem Band eine grundsätzliche Stimmung, die sich aus Geschichte und (An)Klage, metaphorischen Landschaftsexkursen, dem Intimsten oder auch Reiseeindrücken heranbildet.
Bestärkender (!) Trotz, Widerspruch, Widerhall artikulieren sich da auch als konsequent lyrische, rhythmische Setzung, die bisweilen staccatoartig lauter wird, das innere Ohr oder Auge trifft und anspringt. Wie der Titel besagt, werden poetische Flammen entfacht, sie leuchten und zischen und laden alles, wovon die Rede ist, auf. Hinter jeder Passage, wenn auch meist nicht explizit, steht Haltung, – diese Gedichte zeugen von einem starken Rückgrat!
Gustave Flaubert leitet den Band ein – die Kapitel sind mit BURLESK, PITTORESK und GROTESK übertitelt und stecken die Empfindungsräume gewissermaßen ab.
Empfehlenswert.
(Petra Ganglbauer, Rezension für: Gangway Reviews, veröffentlicht am 24. Juni 2016)
https://reviews.gangan.at/dine-petrik-funken-klagen/
Helmuth Schönauer: [Rezension]
In der Lyrik ist nichts selbstverständlich, wenn man glaubt, eine Fügung würde etwas genau beschreiben, so liegt daneben eine noch genauere, die es noch genauer sagt. Dine Petrik arbeitet in einem doppelten Veredelungsprozess. Zuerst wird der Stoff poetisiert, und dort, wo scheinbar schon die Gedichte fertig sind, kommen sie noch einmal ins Galvanisierungs-Bad und erhalten eine Zeit-feste Außenhaut. Wo man bereits mit Funken schlagen in die Gewissheit gelenkt wird, kommt eine neue Perspektive hinzu, der Titel der Gedichtsammlung heißt folglich richtig „Funken. Punkt. Klagen“. Dabei können diese Klagen neben den Lauten der Seele auch etwas durchaus Kleinnerviges bedeuten, die Klagen, mit dem sich das Volk im Nachbarschaftsstreit oft großmundig eindeckt.
Die Gedichte sind nicht in einem Quellverzeichnis verortet sondern kleben in Fließtextmanier aneinander, freilich sind sie durch semantische Spatenstiche unterteilt in Burlesk, Pittoresk, Grotesk.
In einem Vorspann wird der Stadt Palmyra gedacht, dabei erweckt diese magische Ortsbezeichnung nicht nur Erinnerungen an das kürzlich zerstörte Weltkulturerbe in Syrien, sondern zeigt, indem es von der Jungsteinzeit an alle Gedächtnisschichten aufzählt, auch etwas von der Unerschütterlichkeit der Lyrik. Wie diese wird Palmyra neu aufgebaut, wobei die Bausteine dieses mal aus dem 3-D-Drucker kommen. In diesen zeitlosen Raster der Archäologie bettet das lyrische ich auch seine individuellen Erinnerungen und Toten. „jetzt, wo ich die letzten toten / dem heimatboden überließ / will ich drei nächte wachen / sehen ob mir was bleibt“ (26).
Wie sehr sich Arbeitsweise, Titel und Sinnverschränkung in den Text verkrallen können, zeigt das kleine Text-Versteck: „(verrückt) // sich auf die eine andere / seite schlagen funken / klagen im gesträuch / der wimpern den orion / bis die nacht / die tausend eine -“ (33).
Eine Besonderheit liegt in der fließenden Verschränkung der einzelnen Gedichte, anhand einer Begriffskette wandert das lyrische Ich eine japanische Route entlang: Ferne Stühle, Fuji, Fujisan, Fudschijama, Fukuschima lassen eine poetische Dokumentation entstehen, welche die alltäglichen Berichte aus Unglücken zwischen Vulkan und Radioaktivität mit einer Halbwertszeit überlagern, die vielleicht dem ausgesetzten Individuum entspricht.
In der grotesken Abteilung schließlich macht sich das lyrische Ich mit zu kleinen Schuhen auf, um endgültig von dem wegzugehen, was Kindheit genannt wird.
Lach nur, sagt später das lyrische Ich, wenn es ein paar Flunsen aus dem Filz der Erinnerung zieht und merkt, es ist ein Liebesgedicht von der Unsterblichkeit.
(Helmuth Schönauer, Gegenwartsliteratur #2499, 8. Juni 2016)
https://lesen.tibs.at/content/erwachsene/dine-petrik-funken-klagen
Hermann Schlösser: Ausgesprochen schöne Gedichte
[…] Gute Lyrik kann also ironisch sein, aber sie muss es nicht. Die Verse des Bandes „Funken. Klagen“ (Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra) von Dine Petrik sind zum Beispiel fragile Gebilde. Klein und leise treten sie auf, ihre Titel stehen in Klammern, als ob sie nicht so wichtig sein wollten.
Besonders eindrücklich ist ein Trauergedicht, das mit lyrischen Mitteln ein privates Totengedenken inszeniert. Der Titel ist doppelsinnig, und der Text vieldeutig:
(nichts mehr)
jetzt, wo ich die letzten toten
dem heimatboden überließ
will ich drei nächte wachen
sehen ob mir was bleibt
die erste bringt ein regenmeer
die zweite treibt mir eine krücke her
die dritte hält in frostiger hand
jene laterne
die ich als kind gekannt –
was brauch ich mehr
Dine Petrik schreibt metrisch kaum regulierte Zeilen und verzichtet in der ersten Strophe auf Reime. Auch die zweite Strophe ist nicht konsequent durchgereimt, enthält aber doch einige Reimwörter. Welche? Das herauszufinden, gehört zu den Reizen beim Lyriklesen. Wer sie gefunden hat, darf dann überlegen, ob eine solch zwanglos reimende Verbindung eher dem Sinn oder eher der Musikalität des Ganzen zugute kommt. Beides ist auch zugleich zu haben, denn gute Lyrik ist, wie Paul Valéry in einer unübertroffenen Formulierung festhielt, „das ausgehaltene Zögern zwischen Klang und Sinn.“ […]
(Hermann Schlösser, Rezension in der Wiener Zeitung vom 5. November 2017)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Flucht vor der Nacht
Handgewebe lapisblau
Ich bin wie ein kaltes Reptil
Stahlrosen zur Nacht
Traktate des Windes