Burg Raabs
Fürchterlich wahre Geschichten
Toni Distelberger
ISBN: 978-3-99126-120-9
19,5×13 cm, 128 Seiten, m. S/W-Abb., fadengeheftetes Hardcover
15,00 €
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Kurzbeschreibung
Die imposante Schlossanlage von Raabs schaut auf den Zusammenfluss von Deutscher und Mährischer Thaya herab. Zwischen den ehrwürdigen Mauern haben sich in einem Jahrtausend viele Schicksale ihrer Bewohner vollzogen. Geburten und Hochzeiten, aber auch so mancher Mord und Todschlag ereigneten sich an diesem Ort. Die derzeitige Widmung als „Bücherburg“ des Verlegers Richard Pils öffnet das weitläufige Bauwerk für künstlerische Betätigungen. Bei Seminaren und Konzerten, Theateraufführungen und Ausstellungen feiert die Kreativität einen glänzenden Sieg über das düstere Erbe.
Von schottischen Burgen wird behauptet, es gebe keine, in deren Geschichte sich nicht zumindest eine verruchte Bluttat ereignet hätte. Nun mögen mittelalterliche Befestigungsanlagen schon aufgrund ihrer Funktion prädestiniert für Mord und Totschlag sein – sozusagen „wie geschaffen dafür“ – aber die übliche Form der gewalttätigen Auseinandersetzung, zu der es infolge kriegerischer Ereignisse kommt, ist diesmal nicht gemeint. Im vorliegenden Buch geht es mehr um Dramen im normalen Leben, um fehlgeleitete Leidenschaften, die Menschen ins Unglück stürzen. Im Mittelpunkt stehen also nicht die Landsknechte und anderen Söldner, die sich zwar beherzt an den Kragen gehen und auf den Leib rücken, aber die Angelegenheit nicht unbedingt persönlich nehmen, sondern eher professionell angehen. Im Grunde sind sie gar nicht bös auf jene, die sie umzubringen gedenken. Anders geht es zu in Affären, bei denen die Beteiligten emotional verbunden sind – wenn zum Beispiel ein schon ewig andauernder Kleinkrieg mit dem Nachbarn irgendwann überkocht. Auch eine klassische Dreiecksgeschichte bietet gute Voraussetzungen für ein fatales und letales Ende. Im Nachhinein glaubten wohl viele Zeitgenossen die betrüblichen und verderblichen Konstellationen benennen zu können, die zur Krise geführt haben; im Moment der Eskalation und Explosion waren aber alle Außenstehenden hilflose Zeugen der Ereignisse.
Jede Burg zeichnet sich durch ihre weit zurückreichende Geschichte aus, und die Burg Raabs hat eine besonders lange Historie vorzuweisen. Diese ist annähernd so alt wie das Land Österreich. Nur selten hallten die Mauern und Höfe von mordlustigem Geschrei wider, viel öfter erfüllten frohes Kinderlachen und das Bellen von Jagdhunden, das geschäftige Treiben der Bediensteten und musikalische Darbietungen das Gemäuer mit Leben. Im Regelfall war es also möglich, die destruktiven Triebe zu sublimieren, in den Dienst des Nützlichen zu stellen und manchmal sogar zum Guten und Schönen zu wenden. In den letzten Jahrzehnten sind es die Theaterstücke, konzertanten Aufführungen, Meisterklassen für Instrumentalmusik, kreativen Sommercamps für Kinder und die „Poetenfeste“ gewesen, die gezeigt haben, was Kunst an diesem Ort vermag. Eng damit verbunden ist die Widmung als „Bücherburg“ durch den aktuellen Besitzer Richard Pils und seinen Verlag Bibliothek der Provinz. Im Lettischen ist übrigens das Wort „Pils“ (im Altbaltischen „Pilis“) ein üblicher Bestandteil von Ortsnamen. Es bedeutet „Burg“ und findet sich meist in Verbindung mit einem Personennamen oder einer topografischen Angabe.
Die hier versammelten Texte sind von Alter und Herkunft her recht heterogen. Einige wurden direkt für diese Anthologie verfasst, andere vor hundert oder sogar mehr Jahren geschrieben. Jeder einzelne Beitrag versucht zu ergründen, was die Burg Raabs zu verschiedenen Zeiten jenen Menschen, denen sie damals als Wohnstätte diente und für die sie der Ort darstellte, an dem sich ihr Schicksal vollzog, bedeutet haben mag.
(Toni Distelberger im Vorwort)
[Toni Distelberger (Hg.) | Mit Beiträgen von Karl-Michael Liemberger, Moritz Alois Becker, Mella Waldstein, Hellmuth Heimpel, Maria Eliskases und dem Herausgeber]
Rezensionen
Günther Haller: Die Burg Raabs und die Schicksale ihrer BewohnerNoahs Arche war die erste Burg. Man stelle sich das biblische Schiff vor, wie es nach seiner Landung auf den Felsen des Berges Ararat thront: Es erinnert an die Höhenburgen hoch oben, auch sie Orte der Zuflucht so wie die Arche für den von der Sintflut bedrängten Noah. Ein Mittel zum Überleben. Alle Forscher sind sich einig, dass sich der Mensch, abgesehen von den Unwettern, vor allem vor seinen Mitmenschen schützen muss. In unsicheren Zeiten war die Notwendigkeit, sich hinter dicken Mauern zu verschanzen, am größten. Zoomen wir das Waldviertel heran vor mehr als tausend Jahren, ein gefährliches Grenzgebiet. Böhmen, Mährer, Ungarn, Babenberger prallten auf einander.
Dort, wo die Thaya eine Schlinge macht, sitzt auf einem Felssporn über dem Fluss die Burg Raabs. Ihre Geschichte ist so alt wie die Österreichs. Von hier wurde im 12. Jahrhundert das wilde Waldgebiet kolonisiert. Sophia von Raabs, eine Burggräfin, wurde zur Stammmutter des Hohenzollerngeschlechts, der späteren preußischen Könige. Drei Jahrhunderte residierten hier die Puchheimer, sie prägten die Geschichte des Waldviertels, nahmen den neuen Glauben an (was ihnen auf Dauer nicht gut bekam) und schlugen die rebellierenden Bauern derb aufs Haupt. Sie machten aus der Burg einen stattlichen mittelalterlichen Adelssitz, Teile der alten Burg blieben erhalten.
Jede Burg zeichnet sich durch ihre weit zurückreichende Geschichte aus. Auch die Geschichte von Raabs ist die von Kriegen und lokalen Streitigkeiten. In einem neuen Büchlein liest man aber auch über „Dramen im normalen Leben, um fehlgeleitete Leidenschaften, die Menschen ins Unglück stürzen, Dreiecksgeschichten, die letal enden", so der Herausgeber Toni Distelberger. In heterogenen Texten wird zu ergründen versucht, was die Burg für die Bewohner der jeweiligen Zeiten bedeutet haben mag. Mit einigen Überraschungen. Wieso kam es etwa 1926 zum Selbstmord der Burgherrin und zum Schusswechsel, bei dem ihr Liebhaber ums Leben kam? Das Raabser Familiendrama.
Heute ist Raabs eine „Bücherburg". Der aktuelle Besitzer ist auch Verlagschef der „Bibliothek der Provinz", in der die „fürchterlich wahren Geschichten" erzählt werden.
(Günther Haller, Rezension in der Presse vom 2. November 2024)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Das Mädchen im Badeanzug
Die Regentropfenuhr
Großvaters Geschichten
Im Traum war sie nackt
Liebende im Mostviertel
Magie aus dem Mostviertel