Als Karl seine Stimme verlor
Erzählungen
Sibylle Lang
ISBN: 978-3-99028-862-7
19×11,5 cm, 172 Seiten, Klappenbroschur
18,00 €
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Kurzbeschreibung
Ich hatte das Wochenendhäuschen meines Onkels bezogen. Hier konnte ich in aller Ruhe einen Vortrag verfassen, weil mich keiner störte. Meine Verwandten nutzten das Häuschen selten und waren dankbar, wenn es ab und zu bewohnt wurde. Sie gaben mir genaue Anweisungen, wie ich mich den Nachbarn gegenüber zu verhalten hatte. Es waren Anweisungen von der Art, wie sie Leute benutzen, die sich schnell gestört fühlen. Obwohl ein gutes Stück Wiese zwischen Onkelhaus und den Nachbarn lag, sagten sie: „Beobachte bitte den Anbau auf dem Nachbargrundstück. Hab ein Auge darauf!“
Rezensionen
Gerlinde Knoller: Sie schreibt mit den Augen einer FotografinDie Augsburger Schriftstellerin Sibylle Lang hat ihren zweiten Erzählband vorgelegt
Es ist der Blick einer Fotografin, den die Augsburger Literatin Sibylle Lang bei ihren Erzählungen einnimmt. „Als Karl seine Stimme verlor“ ist Langs zweiter Erzählband, jüngst als Taschenbuch erschienen beim österreichischen Verlag Bibliothek der Provinz. Sibylle Lang ist Fotografin, sie hat in früheren Jahren mit ihren Werken auch Ausstellungen bestückt. Mehr und mehr habe sie sich jedoch im Laufe der Jahre als Autorin „gefunden“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung.
Die sieben Erzählungen in diesem Buch lesen sich wie Momentaufnahmen, in denen Geschehen und Personen, an denen der Betrachter sonst wahrscheinlich vorüberginge, herangezoomt werden. Sibylle Lang nennt ihr literarisches Verfahren selbst „Aufblasen“. Aber trifft es das? Es ist eben keine „heiße Luft“, die diese Erzählungen ausfüllt, vielmehr wird das scheinbar Belanglose, das Nebensächliche, zum Tragenden: Da wird in der ersten Erzählung von Otto erzählt, dem das, was sein Leben bisher ausgemacht hat, nämlich als Bauführer für ein Telekommunikationsunternehmen über Land zu fahren, einfach wegbricht. Ähnlich ergeht es seinem Kollegen Karl, der darüber „seine Stimme verliert“. Was geht da in einem Menschen vor, welche Hoffnungen hat er und zu welch absurden Gedanken kann dies führen? Danach fragt diese Erzählung.
Auf „scharf gestellt“ hat Sibylle Lang auch eine Betriebsversammlung, zu der die Mitarbeiter – auch hier geht es um eine Telekommunikationsfirma – eingeladen werden. Alles läuft fast wie bisher, mit Reden und Butterbrezen, aber keiner wagt es, offen anzusprechen, dass „die minutiöse Beobachtung“, die Aufzeichnung von Kundengesprächen unter dem Vorwand der Qualitätsprüfung, nichts anderes als ein ungerechtfertigtes Ausspionieren ist.
In der Erzählung „Das Haus am Waldrand“ schildert Sibylle Lang subtil, was es heißt, wenn einmal der Samen des Misstrauens in einen gelegt wird und zu welchen Auswüchsen dies führen kann: Die Erzählerin bekommt von ihrem Onkel das Wochenendhäuschen, um dort in Ruhe arbeiten zu können – eigentlich aber soll sie „ein Auge auf den Anbau des Nachbarhauses werfen“. Ein Schwarzbau?
Um wachsendes Misstrauen geht es auch im Text über Walter – auf dem Tennisplatz derjenige, der alles reparieren kann. Jetzt fehlt Werkzeug aus dem Geräteschuppen. War gar sein Sohn der Dieb? Den Band rundet eine Erzählung mit dem Titel „Waldmeisterbowle“ ab, der Schauplatz ist Augsburg. Nach vielen Jahren kehrt die Erzählerin, die hier, in der Stadt, ihre Jugend verbracht hat, aus Hamburg zu „Marias Geburtstagsfest“ zurück, das ausgerechnet in einer Wohnung in der Altstadt stattfindet, die für die Erzählerin damals mit einer einschneidenden Begegnung verbunden war. Spannend auch hier, wie Sibylle Lang ihren „Sucher“ zunächst auf diese Wohnung richtet, um dann nach und nach das Blickfeld auf das Geschehen und die Figuren mit ihren Beziehungen untereinander zu weiten. Alles absolut lesenswert!
(Gerlinde Knoller, Rezension in der Augsburger Allgemeinen vom 8. April 2020, S. 28)
Juliana Hazoth: Literarische Momentaufnahmen
Nach »Das Abendessen mit dem kleinen Chinesen« veröffentlichte Sibylle Lang dieses Jahr ihren zweiten Erzählband mit dem vielversprechenden Titel »Als Karl seine Stimme verlor«. Die sieben Kurzgeschichten gleichen Momentaufnahmen, die aus dem normalen Leben gegriffen und doch alles andere als alltäglich sind.
Ihren Hintergrund als Fotografin merkt man den Erzählungen der Augsburger Autorin an. Wie mit einer Kamera nimmt sie Momente auf, zoomt ganz nah heran, beobachtet jedes kleinste Detail der Szene. Eigentlich unscheinbare, alltägliche Situationen wirken plötzlich anders, so als wären sie vollkommen neu. Das scheinbar Belanglose wird zum handlungstragenden Element, wenn beispielsweise die misstrauische Erzählerin der Kurzgeschichte »Das Haus am Waldrand« beobachtet, wie auf dem Nachbargrundstück gebaut wird. In dieser zunächst simplen Geschichte schafft es Sibylle Lang, so viel Spannung zu erzeugen, wie sie sonst nur in meisterhaften Krimis zu lesen ist.
Die Autorin lädt in allen sieben Erzählungen ihre Leser*innen dazu ein, genau hinzusehen und reflektiert zu beobachten. Dabei verzichtet sie auf blumige Sprache, verschnörkelte Beschreibungen und ausufernde Handlungen. Stattdessen gibt sie ein präzises Bild wider, das bekannt und doch unbekannt ist. Eine wirklich beeindruckende Leistung und absolut lesenswert!
(Juliana Hazoth, Rezension für a3kultur. Feuilleton für Augsburg Stadt/Land und Wittelsbacher Land, veröffentlicht am 24. August 2020)
https://a3kultur.de/positionen/literarische-momentaufnahmen
Carolin Fest: [Rezension]
Die Freude am Lesen ist seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegen – auch in Augsburg. Meinolf Krüger vom Taschenbuchladen sagt: „Das Buch ist für die Pandemie die beste kulturelle Alternative. Am Anfang haben die Augsburger sich die großen Werke gekauft, zum Beispiel ‚Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‘ von Proust.“ Je länger die Corona-Krise andauere, desto mehr seien lustige und unterhaltende Bücher gefragt. Zur Frankfurter Buchmesse sind zahlreiche neue Bücher auf den Markt gekommen – einige davon mit Augsburg-Bezug. […]
Sibylle Lang lebt in der Augsburger Innenstadt. Die 59-Jährige ehemalige Post-Mitarbeiterin hat das Schreiben nur zum Spaß ausprobiert. Komponist Bernhard Lang, den sie zufällig kennenlernte, wurde ihr Mentor, mit ihm arbeitete sie ihren Schreibstil aus. Sie erzählt die scheinbar banalen Situationen im Leben, indem sie genau hinschaut: „Wenn man detailfokussiert auf die kleinen Dinge schaut, sieht man, es ist anders, als es aussieht“.
In ihrem zweiten Buch „Als Karl seine Stimme verlor“ hat sie mehrere etwa 20-seitige Erzählungen zu Themen wie Arbeit oder Familie veröffentlicht. Lang: „Es gibt ein alltägliches Ereignis, zum Beispiel, dass jemand Probleme bei der Arbeit hat oder dass Geschwister nach einiger Zeit wieder aufeinander treffen. Dann schaue ich mir an, was sich dadurch verändert.“ Das Ende ihrer Erzählungen übrigens bleibe meist offen. […]
(Carolin Fest, Rezension in der Augsburger Allgemeinen vom 30. Oktober 2020)
https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Diese-neuen-Buecher-haben-Verbindungen-nach-Augsburg-id58327526.html