Radikaler Konstruktivismus aus Wien
Eine kurze Geschichte vom Entstehen und vom Ende eines Wiener Denkstils
Heinz von Foerster, Albert Müller , Karl H. Müller
edition seidengasse: Enzyklopädie des Wiener WissensISBN: 978-3-99028-029-4
21,5 x 15 cm, 288 Seiten, zahlr. graph. Darst., Hardcover
24,00 €
Lieferbar
In den Warenkorb
Leseprobe (PDF)
Kurzbeschreibung
Heinz von Foerster (1911–2002), der seine Jugend und nach dem Zweiten Weltkrieg auch einige Berufsjahre in Wien verbrachte, ehe er 1948 in die Vereinigten Staaten wechselte, gilt als einer der Begründer des Radikalen Konstruktivismus. Zusammen mit Ernst von Glasersfeld, der immerhin im Wintersemester 1936/37 in Wien studierte, Gregory Bateson, Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela, Paul Watzlawick, Jean Piaget, Gordon Pask und anderen entwickelte er in den 1960er und 1970er Jahren eine neue Form der Selbst- und Weltanalyse, die starke Effekte in den Kognitionswissenschaften oder in der Erkenntnistheorie auslöste.
Dieses Buch unternimmt den Versuch, die Foerster’schen Ursprünge des Radikalen Konstruktivismus aus seinem besonderen Wiener Umfeld heraus zu verstehen – und insbesondere an einen Wiener Denkstil zu binden, für den Ernst Mach, die Zweite Wiener Medizinische Schule oder Otto Neurath einige der herausragenden Exponenten bilden. Heinz von Foerster konnte sich in seiner Jugend- und Studienzeit typische Merkmale und Heuristiken dieser unfrommen antimetaphysischen Denkungsart aneignen, der auch seine erste größere Publikation – „Das Gedächtnis. Eine quantenphysikalische Untersuchung“ – aus dem Jahr 1948 entsprang.
Heinz von Foerster (13. November 1911 – 2. Oktober 2002) entstammt einem kulturell stark der Stadt verbundenen Elternhaus in Wien, das zudem in einer langen Tradition von Architekten des großstädtischen Wien des 19. Jahrhunderts steht. Schon in der frühen Jugend- und Studienzeit war Heinz von Foerster fasziniert von Ludwig Wittgenstein, der ein Bekannter seiner Eltern war, sowie von den Vortragsaktivitäten des Wiener Kreises. Damit ergeben sich zunächst vielfältige biografische Bezüge zwischen Heinz von Foerster als einer der Leitfiguren des Radikalen Konstruktivismus und Wien. Diese biografischen Verbindungen können noch dadurch verstärkt werden, dass Ernst von Glasersfeld, einer der weiteren wichtigen Repräsentanten des Radikalen Konstruktivismus, in einem alt-österreichischen Ambiente aufwuchs, ein Semester an der Universität Wien studierte und zudem Sigmund Freuds „Traumdeutung“ und Ludwig Wittgensteins Traktat zu seinen frühen intellektuellen Bezugspunkten zählte.
In diesem Buch wird aber über diese biografischen Verbindungen hinausgehend die These entwickelt, dass sich Heinz von Foerster in seiner Wiener Zeit bis zum Jahr 1948 stark Denkmuster eines speziellen Wiener Denkstils aneignete, der mit den beiden Attributen „radikal-empiristisch“ und „synthetisch“ charakterisiert werden kann. Und weiters wird gezeigt, dass diese frühen Wiener Denkmuster Heinz von Foerster zeitlebens begleitet haben und sehr wesentlich für seine späteren Arbeiten im Rahmen des „Biological Computer Laboratory“ (BCL) in den späten fünfziger und sechziger Jahren wurden. Und auf diese Weise kann eine enge und dichte inhaltliche Verbindung zwischen Wien und dem Konstruktivismus geknüpft werden, die gleichzeitig wahrscheinlich wenig bekannte Familienähnlichkeiten zwischen Ernst Mach, dem Logischen Positivismus und dem Radikalen Konstruktivismus zutage fördert.
[Enzyklopädisches Stichwort]
[edition seidengasse | Enzyklopädie des Wiener Wissens, Bd. XIV.
Hrsg. von Hubert Christian Ehalt für die Wiener Vorlesungen, Dialogforum der Stadt Wien.]