Moloch horridus
Aufzeichnungen
Gerhard Amanshauser
ISBN: 978-3-85252-269-2
21 x 15 cm, 82 S.
13,00 €
Lieferbar
In den Warenkorb
Kurzbeschreibung
Der Moloch horridus (vulgo Dornteufel)
Der Moloch trägt seinen Namen nicht zurecht; denn nur sein Aussehen ist schrecklich; sein Wesen aber harmlos.
Nur in seinen Stacheln besitzt er Waffen zur Abwehr; aber auch diese sind so schwächlicher Art, daß ein geschickter Fänger sich kaum an ihnen verletzen kann. Zu beißen vermag er nicht, wie schon sein kleines Maul beweist. (Brehms Tierleben)
Es gibt kein erstes Exemplar einer bestimmten Spezies. Da es aber die Phantasie anregt, wenn ein Adam erscheint, soll der Comte de Lautréamont als erster Moloch horridus bezeichnet werden. Er starb 1870 in Paris, der Hauptstadt Europas, wo die Revolutionen der Neuzeit ausgebrütet wurden.
Dieser Comte ist ein selbsternannter Graf, ein Antigraf gewissermaßen, also der äußerste Gegensatz zu einem echten Grafen, der sich etwa als Vertreter für Haushaltsmaschinen betätigt.
Zunächst soll das Wort profan definiert werden, das ich mangels eines besseren Ausdrucks dazu verwenden will, das Gros der bürgerlichen Kunst zu charakterisieren.
Profan heißt eigentlich »vor dem Tempel«, bezeichnet also den Alltagstrubel vor der Kultstätte.
Ich erweitere nun die ursprüngliche Bedeutung: profan soll alles heißen, was im Bereich der politischen Ökonomie gedeiht, also auf den Sektoren der Verwaltung, des Erwerbs und der Verwertung.
Ein Graf, der in einem zerfallenen Schloß verkümmert, ist also nicht profan, während einer, der Haushaltsmaschinen anbietet, als profan bezeichnet werden muß. Ein Exkaiser, der den Doktortitel erwirbt, ist profan, während einer, der als Gärtnergehilfe arbeitet, nicht profan sein muß. Ein Clochard ist im allgemeinen nicht profan.
Baudelaire hat als nicht-profane Gestalten den Priester, den Krieger und den Dichter bezeichnet. Ein Moloch horridus würde aber sagen, daß diese Figuren nicht mehr außerhalb der Verwaltungs-, Verwertungs- und Vernichtungsbetriebe angetroffen werden und deshalb jeden Reiz verloren haben. Wo gibt es noch einen Kardinal mit Schlössern und Mätressen, einen Krieger, der Turniere austrägt, oder gar einen Prince de poètes?
Im Gegensatz zu den heruntergekommenen Würdenträgern ist für den Moloch horridus das Ungeziefer nicht profan: »Es lebt ein Ungeziefer, das die Menschen auf ihre Kosten ernähren. Sie sind ihm nichts schuldig; aber sie fürchten es. Dieses Insekt, das keinen Wein mag, sondern Blut vorzieht, wäre fähig, wenn man seine Bedürfnisse nicht befriedigt, durch okkulte Macht so groß zu werden wie ein Elefant und die Menschen zu zertreten, als wären sie Ähren.« (Lautréamont)
Der stimmberechtigte Staatsbürger weiß nicht recht, ob man ihn hier verhöhnt. Er zieht es vor, solche Stellen nicht als Poesie, sondern als Narretei zu betrachten. Narren waren zwar bei Hof, doch nie in einer guten Kinderstube willkommen.
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Artistengepäck
Aufzeichnungen einer Sonde
Aus dem Leben der Quaden
Der anachronistische Liebhaber
Der Ohne-Namen-See
Der rote Mann wird eingeschneit
Der Sprung ins dritte Jahrtausend
Die taoistische Powidlstimmung der Österreicher
Fett für den anonymen Kulturbetrieb
Fransenbuch
List der Illusionen
Mansardenbuch
Mansardenbuch & Terrassenbuch [2 Bücher im Schuber]
Ohrenwurst aus Österreich
Satz und Gegensatz
Schloß mit späten Gästen
Sondierungen und Resonanzen
Terrassenbuch
Tische, Stühle, Bierseidel