
Alles gut, am Ende
Roman
Sabine M. Gruber
ISBN: 978-3-99126-264-0
19,5×13 cm, 384 Seiten, fadengeheftetes Hardcover m. Lesebändchen
28,00 €
Neuerscheinung
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Kurzbeschreibung
EIN BEWEGENDER ROMAN ÜBER DAS ALTER, DIE WÜRDE UND DAS LEBEN
Im Mittelpunkt des Geschehens steht die über achtzigjährige Vera Hoffmann. Ihre Geschichte fängt damit an, dass alles zu Ende ist. Oder etwa doch nicht? Eine fatale familiäre Dynamik und ungeeignete medizinische Maßnahmen haben Vera ihrer Autonomie und ihrer Würde beraubt: Sie hat in ihrem eigenen Leben nichts mehr zu sagen. Wie konnte es nur so weit kommen? In einem intensiven, berührenden Text erzählt Sabine M. Gruber die Geschichte einer bemerkenswerten Frau. Die Gegenwart verwebt sich mit längst vergangenen Ereignissen. Und am Ende nimmt Veras Leben eine ganz schön überraschende Wendung.
Rezensionen
Friedrich Hahn: Vorläufige Vergänglichkeit: 80 Jahre Jetzt.Ein lieber Kollege meinte unlängst, er gestalte seine Bücher nur noch so, „dass man sie nicht mehr aufmachen und lesen muss, […] wer das Cover liest und für sich deutet, hat alles richtig gemacht.“ Mehr sei nicht drin, meinte er noch, als müsste er ein für alle Mal einen Punkt setzen.
Daran musste ich denken, als ich Sabine M.Grubers neuesten Roman in Händen hielt. Das Titelfoto „Abendhimmel mit Meeresrauschen“, von der Autorin höchstselbst geknipst, zeigt das Flüchtige, zeigt das Flüchtige von Wolken. Gemeint ist damit das Vergängliche eines Menschenlebens. Denn man kann davon ausgehen, dass es um Menschen geht, sonst wäre der Roman ja auch als Nouveau Roman angekündigt worden. Und jetzt noch der Titel, der ein Happy End verspricht. Und fertig ist die Geschichte in meinem Kopf.
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Immerhin braucht Sabine M.Gruber 386 Seiten für ihre Geschichte, für die Geschichte der Vera Hoffmann, einer Frau über 80, Mutter von drei Kindern, „mehr als 40 Jahre im Schuldienst, dreißig Jahre Ehe, 20 Jahre Getrenntsein und seit fünf Jahren Witwe.“
Sabine M.Gruber breitet vor uns eine Geschichte aus, die alles enthält: Leid, Liebe, Missverständnisse, Gut-Böse, Familie, Enttäuschungen, Hoffnungen. Sie erzählt Veras Geschichte jedoch nicht linear. Zeitsprünge, Rückblenden und Erinnerungen bilden ein Netz der Unmittelbarkeit. Ob Gegenwart, oder Vergangenheit, es scheint immer ein Jetzt zu sein. Das spricht für die Autorin. Veras Geschichte wirkt authentisch und/oder ist vor allem gut recherchiert. Besonders was die medizinischen Details angeht. Im Sinne eines Buches, wie es mein Kollege und Freund, wie eingangs erwähnt, sieht, fehlte am Cover nur noch eine Pille oder eine leere Blisterpackung.
Medikamente braucht es am Ende allerdings nicht mehr. Zumindest nicht, damit es zum Happy End kommt. Sabine M. Gruber hat nach 10 Jahren und nach einem Abstecher zu 444 Orten, die man gesehen haben muss, wieder ein kräftiges literarisches Lebenszeichen gegeben. Prädikat: gehört gelesen.
(Friedrich Hahn, Rezension in seinem Blog Mein persönliches Büchertagebuch online veröffentlicht am 22. Juli 2024)
https://leseliste702458521.wordpress.com/2024/07/22/vorlaufige-verganglichkeit-80-jahre-jetzt/
Karoline Pilcz: [Redaktions-Empfehlungen von den Nachttischen der Buchkultur-Redaktion]
Ein detailverliebter, genau recherchierter und zart berührender Roman, der das Altern, die Familie, die Würde und die Vergänglichkeit erzählt. Starke literarische Stimme aus Österreich.
(Karoline Pilcz, Rezension in der Buchkultur. Das internationale Buchmagazin, Heft 215, #4/2024, S. 26)
https://www.buchkultur.net/wp-content/uploads/2024/08/Buchkultur_215_ro.pdf#page=26
Dominika Meindl: [Rezension]
„Je näher ein Mensch dem Ende zugeht, desto wertloser scheint seine Lebenszeit zu werden.“ Und der Mensch selbst wird wertloser, je mehr er auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Ein großes Rätsel ist unsere Zukunftsblindheit. Wir leben, als hätten wir ewig Zeit. Wir bauen Häuser, als könnten wir uns ewig auf die Kraft unserer Beine verlassen. Wir wählen Parteien, die so tun, als sei das Gendern eine größere Bedrohung als der Pflegenotstand. Wir leben, als lebten wir ewig.
Sabine M. Gruber sieht sich das Ende genau an. Ihr fünfter Roman handelt von einer achtzigjährigen ehemaligen Deutschlehrerin, die nach einem hilfsbereiten Leben selbst immer hilfsbedürftiger wird. „Vor Kurzem noch ist Vera ein vollständiger Mensch gewesen“, mit Eigenschaften und Erlebnissen und Fähigkeiten, die sie einzigartig machen. Die Leserin ahnt früh, dass ihre Gebrechlichkeit kein unvermeidliches Schicksal ist. Die einst so bildungshungrige und musikalische Vera wird in einen pharmazeutischen Teufelskreis gestoßen, der die gerade noch selbständig lebende Pensionistin binnen Kurzem zum Pflegefall macht. Ausnahmsweise wird einem alten Menschen nicht zu wenig, sondern zu viel Pflege zuteil, was um keinen Deut besser ist. In Grubers Roman ist dafür ausgerechnet der Sohn verantwortlich, der eine Karikatur eines Primars geworden ist und die beginnende Hinfälligkeit seiner Mutter als narzisstische Kränkung empfindet. Seine mangelnde Fürsorge macht er mit einem toxischen Medikamentencocktail wett. Alles, was seine Mutter macht und lässt, wird zum Symptom ihrer vermeintlichen Demenz, und alles wird medikamentiert, wodurch erst neue Symptome entstehen – „eine Frau verschwindet im Staub der Verordnungslawine.“ Im Verbund mit einem Hausarzt der ältesten Schule und überforderten 24-Stunden-Pflegerinnen erscheint Vera mit einem Mal moribund. Wäre da nicht ihre Tochter Nina, der es endlich gelingt, sich gegen den autoritären Bruder zugunsten der Mutter durchzusetzen. Vom Ende wollen wir nicht zu viel verraten, bloß auf den Titel hinweisen.
Sabine M. Gruber geht es in „Alles gut, am Ende“ nicht nur darum, wie unsere Gesellschaft mit alten Menschen umspringt. Sie dichtet Vera ein Leben an, das den Umgang mit ihr umso empörender wirken lässt. Sie schildert die großen und kleinen Kämpfe der Frauen um ein eigenes Leben. Und sie erzählt von einer Generation, die noch unmittelbar vom Krieg traumatisiert worden ist, wovon im letzten Lebensabschnitt manches wieder aufbricht.
Stilistisch schreibt Gruber, wie es einer Deutschlehrerin als Hauptfigur gut ansteht, weder manieriert noch pseudomodern (bis auf den aktuell recht beliebten großzügigen Einsatz: des Doppelpunktes – irgendwas Kritisches muss man ja schreiben ;-). Bemerkenswert ist der souveräne Aufbau der Zeitebenen, denn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpft Gruber elegant.
An manchen Stellen steht das Anliegen vielleicht etwas zu plakativ im Vordergrund, was angesichts seiner Dringlichkeit aber nachvollziehbar ist. Es ist ja empörende Realität, dass man „die Alten“ zwar nicht mehr so nennen darf (stattdessen „Senioren“ oder „ältere Menschen“), sie jedoch zugleich einem System überlässt, in dem ein bloßes warm, satt und sauber reichen soll – und im schlimmsten Fall nicht einmal mehr das. Hier aber wird einer alten Frau eine Zukunft geschenkt, und so zitiert Gruber treffend Max Raabe: „Am Ende kommt immer der Schluss, bis dahin tobt das Leben.“
(Dominika Meindl, Rezension online veröffentlicht am Website des Österreichischen Schriftsteller/innenverbandes, [März ?] 2025)
https://www.oesv.or.at/rezension/alles-gut-am-ende-2.html