Tone Fink – sero.tone
Zeichnungen und Gedichte
Tone Fink, Maximilian Lang
ISBN: 978-3-99126-199-5
28×20 cm, 120 Seiten, zahlr. fünffärbige Abb., Flexi-/Hardcover (Schweizer Broschur m. Klappen)
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Kurzbeschreibung
Schauen ist etwas anderes als beobachten. Wer schaut, sieht eine neue, wunderbare Welt. In Tone Finks Welt schweben Wolkenhuhnbrüste, springen Autobahnzwirbler, kuscheln er und sie im Schafspelz. Wenn heftige Striche das Papier zerreißen, legt Max Lang mit seinen Gedichten ein sanftes Leuchten über die nervöse Welt des Künstlers und legt einen Kranz aus Blüten um die Liebenden.
HAUS MIT VORDACH
Ein totgeschnittener Strauch,
ein weißes Tor, eine alles
vernichtende Ordnung
zwischen Hauswand und Zaun.
Kennte ich den, der hier wohnt,
ich würde ihn fragen,
was dieser Streifen Wüste
hier mitten im Leben bedeutet.
ENDLICH
Er war jetzt ruhig.
Alle Widerworte,
die er nicht vertrug,
waren verklungen.
Alle Begleiter, die er verlassen hatte,
waren ihrer Wege gegangen.
Der Erfolg, ausgeblieben,
spielte nun keine Rolle mehr.
Endlich sah er sich um,
zum ersten Mal in seinem Leben,
und blickte auf ein Nest von Hortensien.
[artedition · Verlag Bibliothek der Provinz]
[Zeichnungen: Tone Fink |
Gedichte: Max Lang /
Mit e. Beitrag von Ingrid Bertel]
Rezensionen
Florian Gucher: „sero.tone“ – ein literarischer KunstbandTone Finks Zeichnungen sind immer im Fluss. Sie tänzeln und changieren von einer barocken Leichtigkeit hin zur Schwere und Tristesse des Lebens. Dazu gesellen sich Max Langs Gedichte wie alte Bekannte, die sich wohlwollend schätzen, zu Wort kommen lassen, in Widerspruch gehen, aber auch wieder versöhnen und einander umklammern.
Die neue, literarisch-grafische Publikation „sero.tone“ – sie ist nach „mono.tone“ und „arche.tone“ bereits die dritte Gemeinschaftsproduktion der beiden Künstler in Form eines Buches – widmet sich in Anspielung auf das Glückshormon Serotonin dem Themenkreis des Glücks und Unglücks mit all den Facetten, die das Leben birgt oder eben versteckt hält.
Gewichtige Schwerelosigkeit
Zarte, flirrende Stacheln und Flimmerhärchen ummanteln Tone Finks gemalte Objekte. Manchmal sind sie seidig und lieblich wie in den Zeichnungen „Wolkenhuhnbürste“ oder „Kleinstkopfbehandlung“, dann wiederum bohren sie sich stechend in ihr Gegenüber hinein und schließlich werden sie beispielsweise im „Igelhügelgestell“ so ausufernd, explosiv und zerberstend, dass sie gar Risse und Schnittstellen im Papier hinterlassen. Auch wird dieses Aufschaukeln in der Grafik „o.T (er u. sie im Schafspelz) Strichgekritzelt“ spürbar, einer betörenden, liegenden, von oben anheimgefallen Heimeligkeit, die in ihrer spielerisch-undurchsichtigen Kontrarietät fast märchenhaft anmutet und Gut und Böse schwer unterscheidbar macht. Man ist geneigt, an den Wolf und die Großmutter in Grimms „Rotkäppchen“ zu denken oder an „Der Wolf und die sieben Geißlein“, Bezüge zu der Metapher „Wolf im Schafspelz“ sind schlagend und selbstredend. Jedenfalls geht diese spürbar schmerzliche Ausgelassenheit in Finks Werk, die mal mehr, dann weniger intensiv zum Tragen kommt, aber immer als Konstante mitschwingt, sich mal zügelt, in anderen Fällen aber wieder die Zügel an sich reißt, mit einem ihr innewohnenden sanften Kern einher. Sie ist es, die sich, wenn auch oft unsichtbar, in unser Empfinden einbrennt. Auch in der aktuellen Publikation „sero.tone“ mit über fünfzig Zeichnungen, die in ihrer Geschlossenheit ein zyklisches Werk bilden, findet sich kaum eine Arbeit, welche das Verhältnis der Gegenpole nicht zumindest andeutet oder aber auslotet und auf die Spitze treibt: „Tone Finks Zeichnungen bewegen sich zwischen tiefer Trauer und Freudigkeit. Sie sind schwerelos und gewichtig zugleich, weisen Höhen und Tiefen nebeneinander auf“, so der Schriftsteller Maximilian Lang, der den zweiten – literarischen – Part des Buches beigesteuert hat. Nicht zuletzt scheint eine Auseinandersetzung mit Facetten des Glücks und Unglücks wie maßgeschneidert, weil es die Amplitude des Lebens, die Finks wie auch Langs Werk definiert, als Grundgerüst bereits in sich trägt.
Nochmals zu Finks Intensität zurückkommend kann man erkennen, dass diese nicht ausschließlich übermannend sein muss, sondern auch schlicht und zurücknehmend sein kann: „Durch meine Arbeitsweise mit Rissen, Klebungen und Schnitten tut sich auf der Hinterseite des Papieres etwas, wenn auch auf ganz reduzierte Weise, weshalb ich häufig auch die Rückseite der eigentlichen Arbeit mit zum Kunstwerk deklariere“, betont der aus Schwarzenberg stammende Grafiker und Maler, seines Zeichens auch Filmemacher und Performancekünstler. Im Buch „sero.tone“ sind es dann eben diese Rückseiten, die sich der Dichte entziehen und aufgrund ihrer Rücknahme gehaltvoll werden können. Dass das Material selbst dabei nicht von hohem Wert ist, liegt im künstlerischen Verständnis und in der Arbeitsweise Finks verborgen: „Bei wertvollem Blatt würde ich nur einen Stress bekommen, da ich das Gefühl hätte, es muss Kunst entstehen. Mein Papier ist nicht hochkarätig und zudem eines, das bereits einen Grundton aufweist.“
Indirekte Dialoge und Zwischenräume
Nicht eindeutig Bezug zu den Zeichnungen nehmen Max Langs Gedichte, sie gehen vielmehr bewusst parallel einher und reihen sich nebenstehend ein. „Sie atmen einen ähnlichen Geist“, so Ingrid Bertel im Vorwort des Buches. Graziös macht sie ihre Eigenständigkeit, dennoch laden sie sich unbewusst immer gegenseitig auf und spornen sich an. Vielmehr tangieren sich die beiden Positionen durch das Thema selbst, wodurch sich dann teils zufällige, nicht intendierte und überraschende Querlinien ziehen lassen, die einen scharfen Blick benötigen. Max Lang und Tone Fink lassen diese Freiräume als Leerstellen und Lücken in diesem Buch prinzipiell lose und offen, sodass es an den Rezipient:innen liegt, diese zu füllen. Wie kernverwandt doch Tone Finks Grafik mit Max Langs Literatur ist, zeigt die ihr innewohnende Poetik. Das reduziert sich nicht nur auf die zugegebenermaßen oft skurril anmutenden Titel – von „Regengeistwurm“ und „Schmusedach“ bis hin zum „Briefschnabelbusen“ haben wir es hier mit einer Vielzahl an erfinderischen Neuschöpfungen zu tun, die mitunter zur erotischen Aufgeladenheit tendieren – sondern reicht bis in die Werke hinein. Fink transformiert poetische Eingebungen in die Kunst, der dichterisch-lyrische Gehalt jedoch bleibt, transferiert sich nur auf ein anderes Medium. Der in Bregenz geborene, nun in Wien lebende Autor treibt dann diese Dynamik, die sich auch als lyrisches Schwanken zwischen Gefühlen und Empfindungen manifestiert, mit seinen Mitteln weiter. Er formuliert einen „Widerspruch“, wie im ersten Gedicht („Alles, was ich immer haben wollte, habe ich jetzt, und alles, was ich jetzt will, habe ich nicht mehr“) und löst ihn in weiterer Folge auf, fabuliert an anderer Stelle von einem suchenden Freund, der belohnt wird, um dann wiederum in einem Gedicht mit dem Titel „Haus mit Vordach“ von einer Absenz des Glückes als Kontradiktion zu sprechen. Das ganze Buch scheint in Gegenpolen aufgebaut zu sein, die sich jedoch einander bedingen; „sero.tone“ schafft es, lyrisch wie visuell die Berg- und Talfahrt des Lebens einzufangen, ja in 120 Seiten das irdische Dasein so auf den Punkt zu bringen, wie es tickt. Glück und Unglück, sie sind buchstäblich nur eine Haaresbreite voneinander entfernt. Am Ende ist es der Deutungsvielfalt zu verdanken, die alles auch anders begreifen und uns abrupt vom Glück ins Unglück, von der Gunst der Stunde in den Fluch des Schicksals gleiten lässt. Wie im echten Leben auch.
(Florian Gucher, Rezension in der KULTUR – Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, online veröffentlicht am 16. April 2023)
https://www.kulturzeitschrift.at/kritiken/sero-tone-ein-literarischer-kunstband
Gregor Auenhammer: ohn-schablon-zeit-lose
„Schauen“, hat Autor Peter Bichsel dereinst geschrieben, „ist etwas ganz anderes als beobachten.“ Argumentativ führte er aus, dass der Beobachter weiß (oder zumindest zu wissen glaubt), was er sehen wird. „Wer dagegen schaut, weiß noch gar nichts, lässt sich auf Unvorhergesehenes ein, auf Aufregendes, auf Wunder, Schrecken und Glück“, sagt Ingrid Bertel im Vorwort zu einem wunderbar leisen Buch in Dialogform. Nonverbal zum Teil. Eine Nachtmeerfahrt der Emotionen und Linien. Lyriker Max Lang hat assoziative Verse zu Skizzen von Tone Fink verfertigt. Sero.tone nennt sich das schmale, fein und sorgsam edierte, Faksimiles mit Wortfetzen fusionierende Kunstbuch. „Ero.tone“ soll Fink es einmal – Freud Sigi, schau oba! – genannt haben. Wundersamen Wesen begegnet man auf den Skizzenblöcken des 1944 in Vorarlberg geborenen Künstlers. Wahlverwandtschaften verschriftlichter Natur fügt Lang, Jahrgang 1986, ebenfalls aus dem „Ländle“ stammend, hinzu. Das Ganze ergibt ein Spinnennetz an Ausreißendem, Ausfransendem. Bewusst, wohlgemerkt. In der Verweigerung des Absehbaren, des Vorhersehbaren entsteht ein sensibles Sensorium des Seins. Als Seismograf der Interferenzen verschließt sich Tone Fink einmal mehr dem allzu Bekannten. Wortschöpfungen wie Grasbusentropfen, Schmusedach, Hirnbrille, Kirchenturmhandstand, feinziselierter Kratzbürstler, Haarzüngler, Wolkentänze, Patschenbauer und vieles mehr lassen den konspirativen Poeten fast arbeitslos werden. Interessant aber, dass dem nicht so ist. Im artifiziellen Dialog entstehen leise Kontrapunkte zum Augenblick. Oder, um es mit Tone Finks Worten zu umschreiben, „Zeichnen, um das Schweigen zu verzaubern“. Magie!
(Gregor Auenhammer, Rezension im Standard-Album vom 29. April 2023, S. A6)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Tone Fink – ARCHE.TONE
Tone Fink – Skizzen · Notizen 2010–2016 [Band 1]
Tone Fink – Skizzen · Notizen 2010–2016 [Band 2]
Tone Fink – Skizzen · Notizen 2010–2016 [Band 3]
Tone Fink – Skizzen · Notizen 2010–2016 [Band 4]
Tone Fink – Skizzen · Notizen 2010–2016 [Bände 1, 2, 3 & 4 im Schuber]
Tone Fink – solo.tone