7 Anfänge zu einem Roman
Aus dem nachgelassenen Totenbuch des Adolf Hackenberg
Adolf Hackenberg, Wolfgang Müller-Funk
ISBN: 978-3-99126-008-0
19×12 cm, 128 Seiten, Hardcover
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Kurzbeschreibung
Was Onkel Dolfi, der gerne mit großem Gepäck reiste und wohl bedauerte, dass seine Entourage nur aus einer Frau bestand, beruflich getrieben hat, vermag ich nicht mich Sicherheit zu sagen, er war wohl ein freischwebender Geschäftsmann und Pensionist, obschon er von seinem Gestus her ebenso ein kakanischer Diplomat hätte sein können. Anders als in heutigen Zeiten, in denen sich das Leben in der digitalen Welt endet und nicht endet, kann ich das Leben des Großonkels nicht mehr vollständig rekonstruieren. Er ist, von einer Ausnahme abgesehen, über die noch zu berichten ist, vollständig von der Bildfläche verschwunden. Dass er der Bruder meines bescheidenen und zierlichen Großvaters war, der bis weit ins Alter seinen Dienst als Prokurist im Glasgeschäft von Giesel & Czaika versah, war ihm unmöglich anzusehen.
Rezensionen
Andreas Tesarik: Die Unsterblichkeit des MenschenWolfgang Müller-Funk hat die philosophische Prosa seines Großonkels herausgegeben.
Das nachdenkliche Schreiben scheint bei Wolfgang Müller-Funk in der Familie zu liegen. Nach dem Tod seines weltmännischen Großonkels Adolf Hackenberg wurde im Nachlass ein Heft gefunden, dessen Inhalt der in Wien tätige Literatur- und Kulturwissenschafter nun als „Totenbuch“ herausgegeben hat – und dies ist weit treffender als die „7 Anfänge zu einem Roman“ des Haupttitels.
Es sind kurze Texte poetisch gestalteter Prosa, die den Erzähler in eine neblige, trostlose Stadt „an der Grenze“ führen, die in einem Zwischenbereich auf der Passage zwischen den Existenzen zu liegen scheint: Denn der Tod wird überschätzt, das Leben als Abfolge von Sein, Nicht-Sein und Wieder-Sein endet niemals, als wäre man in einem endlosen Film gefangen, aus dem es keinen Ausstieg gibt, was dem Erzähler gar nicht recht ist.
Wie schade, dass dieser Adolf Hackenberg seine literarischen Ambitionen nicht weiterverfolgt hat. Die Freude an der Sprachgestaltung spricht aus jeder Seite als „die Lust, mich in meine Worte zu vergraben wie der Verzweifelte, der sich in sein weiches Kissen wirft“. Zugegeben, der Stil dieser Aufzeichnungen ist so aus der Zeit gefallen, dass sie klingen wie ein Brief von jenseits der Ewigkeit, doch welche Sprache wäre passender für einen, der eingesehen hat, dass Vergehen und Werden wie Atemzüge aufeinanderfolgen, ohne dass es in diesem kosmischen Reigen ein Ende oder einen Anfang gäbe?
Man sollte diesen schmalen Band als einen philosophischen Essay begreifen und als Vademecum mit sich führen, wenn die Tage grau sind. Trost spendet er nicht, aber bemerkenswerte Einsichten, bemerkenswert etwa für jene, die sich für den Weg der Sprache entschieden haben: „Vielleicht ist diese Welt nicht so wörtlich gemeint, nicht so wirklich, nicht so fest wie in der Welt der Buchstaben.“ Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass Adolf Hackenberg doch keinen Roman geschrieben hat.
(Andreas Tesarik, Rezension in der Wiener Zeitung vom 18. Dezember 2021, S. 36)