Elisabeth Gschiel – strich = faden
Elisabeth Gschiel
ISBN: 978-3-99028-747-7
25,5×20 cm, 280 Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover | Text dt. & engl.
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Kurzbeschreibung
ZEICHNEN MIT DER NÄHMASCHINE
Aus der Not wurde eine Tugend. Elisabeth Gschiel begann mit einer geborgten Nähmaschine Plastikverpackungsmaterial zu verbinden, wo Klebstoffe versagten. Damit war der erste Schritt getan, auch die gestalterischen Möglichkeiten dieses Werkzeugs experimentell auszutesten. Entgegen der ursprünglichen Bestimmung Textiles zusammenzufügen, versucht die Künstlerin die Nähmaschine als eine Art „Zeichenstift“ auf unterschiedlichsten Materialien wie Plastik, Papier, Leder etc. einzusetzen. Hochspannungsmasten, Hafenkräne, Weltkarten, Tischgedecke, Notleuchten und vieles mehr.
Objekte, Installationen und Zeichnungen aus den vergangenen Jahren sind gesammelt in diesem Buch zu sehen.
DRAWING WITH THE SEWING MACHINE
Elisabeth Gschiel borrowed a sewing machine and began stitching together plastic packaging materials wherever glue failed. This was the first step in experimenting with the creative potential of this tool. Contrary to what the machine was intended for – sewing textiles – the artist set out to use the sewing machine as a kind of “drafting pencil” on diverse materials such as plastic, paper, leather, etc. Electricity pylons, harbor cranes, word maps, place settings, emergency lights and much more.
The objects, installations and drawings she has created over the past years are gathered in this book.
[Editor / Concept / Design / Translation: Elisabeth Gschiel |
Texts: Elisabeth Gschiel, Monika Holzer-Kernbichler, Naa Teki Lebar, Felicitas Prokopetz, Edith Risse, Markus Wilfling]
Rezensionen
Michael Tschida: Zeichnen mit Zick und ZackDie Nähmaschine ist ihr Zeichenstift: Die 43-jährige Grazerin Elisabeth Gschiel präsentiert ihre höchst ungewöhnlichen Kunstprojekte nach Strich und Faden jetzt auch in einem Prachtband.
Anno 2013 erschuf Elisabeth Gschiel die Welt. „The Garbage World“. Da genoss die Grazer Künstlerin ein zweimonatiges Atelier-Auslandsstipendium in Guimarães. In der Kulturhauptstadt 2012, vormals das Herzstück der portugiesischen Textilindustrie, nähte sie mit einer „Monster-Nähmaschine“ aus 150 weggeworfenen Plastikflaschen mit 2500 Laufmetern weißer Nähseide eine Weltkarte. 202 cm x 128 cm Müll als Kunst als Fanal.
Gschiel hat einen so scharf wie feinsinnigen Blick auf die Welt. Das genaue Schauen lernte sie an der Grazer Ortweinschule. Dann im Architekturstudium. Und dann in den Büros von Szyszkowitz-Kowalski und Love architecture. Seit 2011 arbeitet die gebürtige Hartbergerin als freischaffende Künstlerin und da vor allem als Näherin. Nicht zufällig heißt ihr selbst designter Prachtband, in dem nun ihre bisherigen Projekte eindrucksvoll dokumentiert sind, „strich = faden“.
„Die Nähmaschine ist mein Zeichenstift, ich verwende sie experimentell und überhaupt nicht im traditionellen Sinn, also um Stoffe zusammenzunähen“, erklärt Gschiel. Die Stoffe, mit denen sie zickzack Gestaltungsmöglichkeiten auslotet, sind transparente Plastikfolien, Fotografien, Leinwände, Leder. Und immer wieder Papier.
So etwa in ihrem „Manifest“. Mit der Nähmaschine und dunkelblauer Nähseide „schrieb“ sie Zeile für Zeile textähnliche Muster in ein 30-seitiges Buch, wofür sie sogar einen Buchbinderkurs belegt hatte. Textiltext quasi, dessen Schluss mit einem einzelnen, lose verlaufenden Faden offenbleibt.
Auffallend an ihrer Arbeit nach Strich und Faden, aber kein Wunder bei einer ausgebildeten Technikerin: Immer wieder verwendet Gschiel strenge Linien und Strukturen wie Schienennetze oder Strommasten als Motive. Und zu ihrer großformatigen Serie von Baukränen wurde sie auch von ihrem Balkonblick auf das seinerzeit in der Ferne emporwachsende Styria Media Center angeregt.
Kruzifixe, Vasen, Gräser, Horizonte, Tischgedecke, Landschaften … Kunsthistorikerin Edith Risse schreibt in dem Buch ganz richtig: „Gschiel näht sich die Welt.“ Auch die vergangene. Für eine Porträtreihe aus dem Jahr 2015 machte sich die Mutter einer kleinen Tochter auf die Suche nach ihren Vorfahren. Sie fügte Bilder von Angehörigen und Flohmarktfotos von Unbekannten zu einer „Ahnengalerie“ und nähte den Porträtierten mit Goldfäden Schmuck ins Haar, Eleganz auf den Kragen, Stil auf die Krawatte – zärtliche Verbeugungen vor deren Geschichte(n).
Dass in Elisabeth Gschiels Stammbaum übrigens der berühmte Grazer Bildhauer Jakob Gschiel und ein Schneidermeister gleichen Namens auftauchen, mag Zufall sein. Ist aber vielleicht die früheste Nahtstelle ihrer eigenen außergewöhnlichen Begabungen.
(Michael Tschida, Rezension in der Kleinen Zeitung vom 21. August 2018, S. 50 f.)
Michaela Reichart: Genähte Kunst
Mit ihrer Nähmaschine gestaltet die steirische Künstlerin Elisabeth Gschiel seit gut acht Jahren erstaunliche Zeichnungen. Nun widmet ihr der Verlag Bibliothek der Provinz ein mit Liebe zum Detail gestaltetes Kunstbuch, in dem auch Künstlerkollegen zu Wort kommen.
(Michaela Reichart, Rezension in der Steirer-Krone vom 27. September 2018, S. 49)
Monika Keller: Benäht ≠ Bestickt
strich = faden – mit diesem Titel gibt die von der Architektin zur Künstlerin mutierte Herausgeberin gleich auf dem Cover ihres im Verlag der Provinz [sic] veröffentlichten Buches ein textiles Statement ab. Der Faden wird der Künstlerin dabei zum dreidimensionalen und somit haptisch erfahrbaren Pendant des Stiftes. Elisabeth Gschiel bezieht sich auf das zeichnerische Vermögen des Fadens, das im Falle ihrer künstlerischen Projekte und Arbeiten vor allem darin besteht, auf Untergründen verschiedensterArt Linien entstehen zu lassen. Die Nähmaschine wird ihr zur Gehilfin, wenn es darum geht dem Faden Aussage- und Ausdruckskraft zu verleihen. Ihre Steppnähte finden sich auf Plastik in Form von gebrauchtem Verpackungsmaterial ebenso wie auf transparenten Plastikfolien, aber auch Leder, Leinwand, Papier oder alte Fotografien werden benäht. In Gschiels Arbeiten werden die maschinellen Steppnähte von einem notwendigen Mittel textiler Näh- oder Stickarbeit in ein Ausdrucksmittel freier Kunst transformiert und befreien sich so von der Indienstnahme als reinem Dekor. Textile Accessoires wie beispielsweise Stecknadeln oder Reißverschlüsse sind ebenfalls Teil ihres künstlerischen Ausdruckes.
Die hier vorliegende Werkübersicht präsentiert viele Artefakte und gibt textlich wie bildlich Einblicke in deren Genese. Fotostrecken dokumentieren die seit dem Jahr 2011 entstandenen Projekte in präzisen Detailaufnahmen. Die ebenfalls teilweise ins Bild gesetzten Inspirationsquellen tragen zusätzlich zum besseren Verständnis ihres künstlerischen Schaffens bei. Gschiels Œuvre ist mannigfaltig. Es reicht von klassisch an der Wand präsentierter, übernähter (Foto)Grafik und Installationen auf Kleiderbügeln im Raum bis hin zu einer Performance mit „Wäschestücken“ im Hinterhof (S. 94–97). Ihre Motive entlehnt sie der Landschaft, industrieller Kultur oder dem persönlichen Archiv. Ideengeschichtliche Motive der Kunst-Moderne wie das Manifest übersetzt sie ins Textile, wenn sie beispielsweise ein textiles Manifest in Buchform in einer Vitrine ausstellt (S. 38–47). Technisch arbeitet sie mit Überarbeitung, Überlagerung, Applikation oder Collage, aber auch konzeptuelle Arbeiten wie zipper studies (S. 195–201) sind zu finden.
Drei eher kurz gehaltene Texte von AutorInnen mit sowohl praktischem als auch theoretischem Hintergrund beleuchten die Arbeit der Künstlerin. Gemeinsam ist ihnen das Herausstellen der Trias Text-Textil-Architektur, die in sich einen Verweis auf ein Zusammengesetztes trägt. So wird mehrfach die poetische Dimension ihres Werkes angesprochen, was einen Bezug zum Textlichen herstellt. Konkretisiert wurde dies in der Zusammenarbeit mit dem Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Dort verfassten Studierende Texte zu Gschiels „Potraits – Ahnengalerie“. Zwei davon sind abgedruckt (S. 30–37). Aber auch der Vergleich von Punkt und Stich geht in diese Richtung, wenn Markus Wilfling den Punkt als Beginn einer Linie ansieht, der sich bei der Naht als Stich manifestiert. Architektur und Textil wiederum sind verbunden durch die skulpturale Dimension, die in ihnen angestrebt wird. So verweist Monika Holzer-Kernbichler auf die technische Verwandtschaft von Hausbau und Kleiderherstellung, geht es doch in beiden Professionen darum aus zweidimensionaler Planungsarbeit in eine dreidimensionale Ausführung zu wechseln.
Die Qualität des Buches sticht in vielerlei Hinsicht in’s Auge. Da ist beispielsweise die Beschaffenheit der Fotografien: Das Cover ziert eine in Sepiatönen gehaltene Fotografie einer jungen Frau, deren mit goldenem Nähgarn aufgenähter Haarschmuck ähnlich einem trompe l’oeil in der Malerei glauben macht, es handle sich tatsächlich um eine Stickerei, als wäre hier wirklich der Karton des Covers durchstochen worden. Man glaubt Fäden direkt dreidimensional wahrzunehmen, sie förmlich spüren zu können. Die Bilddokumentationen im Inneren weisen eine gelungene Mischung von Einzelaufnahmen und Ansichten aus unterschiedlichsten Perspektiven auf. Großaufnahmen von Details über zwei Seiten hinweg führen in neue Kapitel ein und machen die Qualität der künstlerischen Arbeit gut sichtbar.
Alle Texte sind zweisprachig (deutsch/englisch) wiedergegeben. Kurze Einführungstexte zu jedem Projekt wie detaillierte Werkbeschreibungen geben Auskunft sowohl über die Intentionen als auch die Beschaffenheit der Objekte. Zentrale Aussagen der Begleittexte werden nochmals als Zitate ausgesuchten Abbildungen gegenübergestellt. Im Anhang finden sich ein Ausstellungsverzeichnis von 2000–2017 und eine Kurzbiographie der Künstlerin. Ein Buch, das dazu anregt, sich die Arbeiten der Künstlerin in natura anzusehen.
(Monika Keller, Rezension im Blog „Textile Anschläge“ vom 15. November 2018)
https://textileanschlage.wordpress.com/2018/11/15/benaeht-≠-bestickt/