Eine Sparkasse (nicht nur) für die Wiener
Die Geschäftspolitik der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien im Kontext der Entwicklung des österreichischen Sparkassensektors
Rudolf Bogensperger
edition seidengasse: Enzyklopädie des Wiener WissensISBN: 978-3-99028-613-5
21 x 15 cm, 288 S., m. Abb., Hardcover
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Kurzbeschreibung
[Enzyklopädie des Wiener Wissens, Bd. XXVI. – edition seidengasse]
Viele Wienerinnen und Wiener verbinden mit der Zentralsparkasse nostalgische Erinnerungen an den Sparefroh oder den Weltspartag. Die gemeinnützige Sparkasse hat das Wiener Kultur- und Alltagsleben jahrzehntelang geprägt.
Zu den wenigen bekannten Aspekten der Geschichte der Zentralsparkasse zählt etwa ihre Rolle in den österreichischen Banken- und Finanzkrisen der Zwischenkriegszeit oder ihre Pionierleistung bei der Einführung von Gehaltskonten.
Mit der Liberalisierung im österreichischen Kreditwesen seit den 1970er Jahren wurde aus einer Wiener Gemeindesparkasse schrittweise ein europäischer Finanzkonzern. Die öffentlichen Haftungen der Gemeinde Wien für die Sparkasse wurden vor diesem Hintergrund zum politischen Thema. Gerade angesichts aktueller Diskussionen über öffentliche Haftungen für Geldinstitute – Stichwort Hypo Alpe Adria – ist es interessant zu sehen, wie die Zentralsparkasse bzw. die Bank Austria und die Stadt Wien mit dieser Frage umgegangen sind.
Rezensionen
Alfred Paleczny: Rudolf Bogensperger, „Eine Sparkasse (nicht nur) für die Wiener“In der in Österreich leider ziemlich vernachlässigten Unternehmensgeschichte nehmen die Darstellungen der Banken und Sparkassen eine Ausnahmestellung ein, weil in den letzten zwölf Jahren neben den üblichen Festschriften auch eine Reihe von bankhistorischen Darstellungen erschienen sind. Die Autoren sind allerdings meist ehemalige Führungskräfte der Kreditwirtschaft, die sich bemühen, ihr jeweiliges Institut in ein positives Licht zu rücken und Kritik ihrer Bankpolitik vermissen lassen. Das trifft auch auf die bisher einzige Geschichte der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien zu, die ihr letzter Generaldirektor René Alfons Haiden unter dem bezeichnenden Titel „Die Z – eine Wiener Erfolgsgeschichte“ herausgegeben hat.
Der junge Historiker Rudolf Bogensperger hat basierend auf seiner Diplomarbeit eine weitere Geschichte dieser Sparkasse geschrieben, die das Naheverhältnis zwischen Politik und Wirtschaft kritisch analysiert. Dabei spannt er den Bogen von der Vorgeschichte der 1907 realisierten Gründung über die Entstehung der Bank Austria 1991 bis zum Austritt der Bank Austria aus dem Sparkassenverband 2004. Er verliert dabei nie den Zusammenhang, in dem diese Sparkassen im Sparkassensektor stand und hat wichtige Primärquellen, etwa die Sitzungsprotokolle des Kuratoriums der Zentralsparkasse bis 1922, des Reichsverbandes (später Hauptverbandes) der Sparkassen bis 1934, des Wiener Gemeinderates und der Wiener Sparkassenaufsicht bis etwa 1970 zum Großteil erstmals ausgewertet.
Bogensperger beschreibt zunächst die Konflikte zwischen den – an dieser kommunalen Sparkassengründung uninteressierten – Liberalen, der Lueger-Partei und den bestehenden Wiener Kommunalsparkassen, die an einer übermächtigen Konkurrenz ebenfalls nicht interessiert waren. Sie gingen dann auch 1923 und 1925 in der Zentralsparkasse auf.
Weiters zeigt Bogensperger für die Jahre der Monarchie die oft gravierenden Meinungsunterschiede zwischen dem operativ tätigen Sparkassenleiter Heinrich Ernest Brand und den übergeordneten Quasi-Eigentümern, den Wiener Bürgermeistern und dem Gemeinderat. Die christlichsoziale Gemeindeverwaltung wollte „ihre“ Sparkasse für die Vergabe von billigen Krediten an politisch nahestehende Gruppen verwenden, während Brand eine eigenständigere Politik bevorzugte, die eher auf Stärkung des Eigenkapitals und Erschließung neuer Geschäftsfelder ausgerichtet war.
Auch in der Ersten Republik stand die Zentralsparkasse (Z) als Sparkasse des „Roten Wien“ und größte Gemeindesparkasse im Zentrum vieler Auseinandersetzungen mit den meist deutschnational eingestellten Vereinssparkassen und dem Reichsverband der Sparkassen. Ursache dafür waren meist die damals häufigen Finanz- und Bankenkrisen. Teilweise wurden die Konflikte öffentlich ausgetragen, etwa bei der Abwicklung der Centralbank der Deutschen Sparkassen.
Breiten Raum widmet Bogensperger der Einbindung des ehemaligen Gewerkschaftschefs und Innenministers Franz Olah in die Geschäfte der Z unter anderem bei der Finanzierung der Kronen-Zeitung mit Sparbüchern seiner Gewerkschaft, die letztlich zur Ablöse des damaligen Z-Generaldirektors Josef Neubauer 1969 führte. Neubauer war es trotzdem gelungen, aus der Z ein modernes Kreditinstitut zu machen; unter seiner Führung legte er die Basis für die „goldenen“ Jahre der Z bis zur Fusion mit den verstaatlichten Aktienbanken, der Länderbank und der Creditanstalt in den 1990er Jahren.
Die Rolle der Z bei diesen politisch umstrittenen Fusionen wird ausführlich geschildert, allerdings aufgrund der geltenden Archivsperren nur auf Basis öffentlich zugänglicher Quellen.
Weniger ausführlich wird die Zeit der nationalsozialistischen Besetzung Österreichs behandelt. Für diese Jahre gibt es bereits eine ausführliche Darstellung des Historikers Theodor Venus. Die Rolle der Sparkassen bei der Finanzierung der NSDAP und des Zweiten Weltkrieges bleibt dennoch ein Forschungsdesiderat. Für die Friedensjahre des 20. Jahrhunderts hat Bogensperger aber mit diesem Buch eine wichtige Lücke in der Bankengeschichte geschlossen.
(Alfred Paleczny, Rezension in: Wiener Geschichtsblätter, 72. Jg./ 2017, Heft 1, S. 92 f.)
Die Presse: Die Wiener Zentralsparkasse war ein Erfolgsmodell
Die hübsche Geschichte von den Schildbürgern mit der Privatisierung der Buwog zu vergleichen, ist unfair, obwohl naheliegend. Und das Märchen vom Hans im Glück, der letztlich statt Gold nur noch einen Mühlstein sein Eigen nannte, verbietet sich als Vergleich mit den Vorgängen rund um die Zentralsparkasse der Stadt Wien. Warum? Weil es hier um ein wissenschaftliches Werk geht, um Werden und Vergehen der einst so bekannten wie beliebten Z. 1907 nahm sie ihren Anfang, nachdem alle mühsamen Übernahmen der Kommunalsparkassen in den eingemeindeten Vororten endlich abgeschlossen waren. Die Z war ein Erfolgsmodell, wie der Autor trefflich nachweist. Sie überlebte zwei Weltkriege und war ab 1955 eines der größten österreichischen Geldinstitute. Sie förderte die Wiener Kunst- und Kulturszene und bot – ganz nebenbei – politischen Funktionären der dominierenden Stadtpartei ein Refugium.
Das Fusions-Ringelspiel
Das traurige Ende dieser großartigen Sparkasse (der Sparefroh hat gottlob überlebt) umschreibt der Autor recht einfühlsam: „Auch die Zentralsparkasse blieb von den zunehmenden Konzentrationstendenzen innerhalb des österreichischen Finanzsektors seit den 1980er Jahren nicht unberührt.“ 1991 fusionierte die Z mit der „roten“ Länderbank. Das neue Institut hieß Bank Austria, blieb jedoch weiterhin eine Gemeindesparkasse, für deren Verbindlichkeiten die Stadt Wien haftete. Diese Haftung endete 2001, weil sie wahrscheinlich von der EU sowieso verboten worden wären. Da hatte die BA bereits die stolze Creditanstalt in einem Überraschungscoup übernommen. Den nachfolgenden Verkauf an die HBV und letztlich das Aufgehen in der italienischen UniCredit hat der vorletzte CA-Generaldirektor, Hannes Androsch, erst kürzlich als „Hochverrat“ angeprangert. Das sieht Rudolf Bogensperger nicht ganz so krass. Schließlich handelt es sich um eine wissenschaftliche Abhandlung.
(Rezension in der Presse vom 3. Juni 2017, S. 27)