Tarantella oder Hölderlin tanzt
Roman
Klaus Voswinckel
ISBN: 978-3-99028-559-6
19×12 cm, 318 Seiten, Klappenbroschur
25,00 €
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Kurzbeschreibung
Zurück am Haus, hörte ich ein Räuspern in meinem Rücken. Als ich mich umdrehte, stand Hölderlin im Fenster. Er lehnte mit dem Kopf gegen die Mauer und schaute an mir vorbei auf eine imaginäre Stelle im Raum, wer weiß, was er da sah. Der Schreck, der mich erfasst hatte, wurde auch nicht kleiner, als ich merkte, dass er mich wie Luft behandelte.
Klaus Voswinckels Tarantella-Roman beginnt in Kappadokien. Dort memoriert der Erzähler die Ereignisse eines langen Sommers in Apulien, wo er einen Film über die Musik des Südens vorbereitet hat und dabei immer wieder fremden, merkwürdig vertrauten Besuchern aus einer anderen Zeit begegnet ist.
Er erlebt die ganze Vielfalt der Tarantella am eigenen Leib, von ihren rituellen Formen bis zum ausgelassenen Fest, vom Stich der Tarantel bis zu dem Tag, an dem Hölderlin tanzt. Die Rhythmen der Musik nehmen Einfl uss auf den Gang der Dinge in ein Abenteuer hinein, das schließlich zurück nach Kappadokien führt. Wie das möglich ist, das gehört zu den Geheimnissen und Spannungsmomenten des Buchs.
Die Tarantella hat die Kraft, das Verdrängte und Ausgegrenzte wachzurufen.
Rezensionen
Peter von Becker: Nachts, wenn der Tag träumtKühne Geistesprosa: In dem zwischen Essay, Erzählung und Autobiografie changierenden Werk zieht der Filmemacher Summe aus Leben, Arbeit und Gedanken.
Er ist einer der eher Stillen im Lande und lebt ja auch,wenn nicht in München, einen Gutteil des Jahres ziemlich fernab in Süditalien. In Apulien. Dort, zwischen Eukalyptuswäldern, Olivenäckern und dem nahen Meer, schreibt der Autor und Filmemacher Klaus Voswinckel seit Jahren so schöne Bücher wie zum Beispiel „Helen. Mediterrane Botschaften“ (Bibliothek der Provinz, Weitra 1999, 222 Seiten, 19 Euro): ein essayistischer Roman über das Leben der von England über New York, Jerusalem, Paris bis in seine apulische Nachbarschaft gezogenen Künstlerin Helen Ashbee und ihren inzwischen gleichfalls verstorbenen Partner Arno Grünebaum-Mandello, einen Freund einst von Man Ray, Joseph Roth und Picasso. Oder: 2002 die „Apulischen Geschichten“, 2006 „Der unsichtbare Körper“, 2012 „Aufbrüche und Wiederkehr“ (alle Bücher sind in der österreichischen Bibliothek der Provinz noch lieferbar).
Jetzt hat Klaus Voswinckel in seinem neuen, wiederum zwischen Essay, Erzählung und Autobiografie changierenden Werk „Tarantella oder Hölderlin tanzt“ im nämlichen Verlag (315 Seiten, 25 Euro) gleichsam eine Summe gezogen.
Das Buch beschreibt Begegnungen mit süditalienischen Musikern und Sänger/innen zur Vorbereitung eines Films über die fast mythische, noch immer gespielte und getanzte Tarantella. Tatsächlich hat der Autor schon früher mehrere poetische TV-Dokumentationen über Musik, Kunst und Kultur in Süditalien gedreht – ebenso wie filmische Porträts etwa von Wolfgang Rihm, Steve Reich oder eines ghanaischen Trommelmeisters.
Eine Welt zwischen Lebenden und Toten
Jetzt treten freilich auch Hölderlin, Novalis, Paul Celan (den V. kannte, über den er promoviert hat) sowie Samuel Beckett auf. Als nächtlich-tägliche Besucher, als leibhaftige Säulenheilige, herabgestiegen ins Erleben des Ich-Erzählers. Das ist erst mal riskant – weil bei Ikonen als Personen wie du und ich die Gefahr von Kunstkitsch oder Vermessenheit lauert. Auch Voswinckels hochliterarisches Quartett redet so manchmal in Selbstzitaten, das wirkt ein wenig sentenzenhaft. Doch schafft der sprachbewusste Stilist damit auch eine kühne, Zeiten und Räume überfliegende Geister- und Geistesprosa. Wie in Alfred Kubins „Andere Seite“ tut sich hier eine fremde Welt auf, doch nicht nur zwischen Lebenden und (Un-)Toten, auch zwischen Kulturen. Der Erzähler gerät dabei von Apulien jäh in die Türkei, nach Kappadokien.
„Tarantella oder Hölderlin tanzt“ wird dort zum modernen Höhlengleichnis. Und Voswinckel erfindet so etwas wie einen neuen west-östlichen Diwan, indem er mitteleuropäische Poesie und Philosophie auf sufistische, osteuropäisch-orientalische Gedanken treffen lässt und darin Nähe und Verwandtschaft entdeckt. Das mal romantische, mal (sur)realistische Buch gereicht so zum Entwurf eines Idealismus, der in Zeiten von Terror und Despotie am Bosporus alte und neue Brücken schlägt. […]
(Peter von Becker, Rezension im Tagesspiegel Nr. 22991 vom 8. Januar 2017, S. 28)
https://www.tagesspiegel.de/kultur/tarantella-oder-hoelderlin-tanzt-von-klaus-voswinckel-nachts-wenn-der-tag-traeumt/19222772.html
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Apulische Geschichten
Aufbrüche, Wiederkehr
Der unsichtbare Körper
Die Nacht der Trommeln
Helen
In den Wind gesungen
Unterwegs, mit der Hoffnung