Alfred Kubin und seine Sammlung
Alfred Kubin, Monika Oberchristl , Gabriele Spindler
ISBN: 978-3-99028-512-1
28×22 cm, 200 Seiten, zahlr. vierfärbige Abb., Hardcover
28,00 €
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Kurzbeschreibung
Wernstein am Inn, Ober Österr., 25.11.12. Alfred Kubin
Sehr geehrter Herr College
(…) Würden Sie wohl darauf eingehen wenn ich Ihnen hier den Vorschlag mache je eine Arbeit von uns zu tauschen? – ich bitte um eine Zeile ob ich Ihnen dann ein paar Sachen zur Auswahl senden darf, – Behalten Sie dann was Ihnen gefällt und legen Sie dann irgend eine Zeichnung von Ihnen, – etwa eine ramponierte Lokomotive oder ein altes Gebäu[de] –, ich finde alles wunderschön und interessant, – bei der Retoursendung bei. –
Mit freundlichen [sic] kollegialem Gruß bin ich Ihr sehr ergebener
Alfred Kubin war nicht nur ein begnadeter Zeichner und Illustrator, sondern auch ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Durch Tausch, Schenkung oder Kauf hat er eine umfassende und vielseitige Privatsammlung von Handzeichnungen und Druckgrafiken aufgebaut. Den eingangs zitierten Brief an „den sehr geehrten Herrn Collegen“ hat Alfred Kubin an den einige Jahre jüngeren amerikanischen Künstler Lyonel Feininger gerichtet, der nahe Berlin lebte. Auf diese Weise hat er mit zahlreichen Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit, deren Wirken ihn interessierte und deren Œuvre er schätzte, brieflich Kontakt aufgenommen. Erkannte er in den Künstlern eine gewisse Seelenverwandtschaft, so versuchte er einen Bildertausch zu initiieren.
Das Briefeschreiben war für Kubin eine ideale Möglichkeit, mit der Kunst- und Geisteswelt Europas in Kontakt zu treten, lebte er doch seit 1906 recht abgeschieden von der Außenwelt in Zwickledt, einem kleinen Dorf nahe der Grenze von Oberösterreich zu Bayern. Sein Domizil, das er symbolisch seine „Arche“ nannte, verließ Kubin nur selten. Die weite Welt holte er neben seiner intensiven Korrespondenz vor allem in Form von Kunstwerken und Büchern zu sich nach Hause. In der Abgeschiedenheit seines Daseins boten ihm diese Sammlungen Freude und Inspiration und waren fruchtbarer Nährboden für sein eigenes künstlerisches Schaffen.
Über 5.000 Bücher hat Alfred Kubin zeit seines Lebens gesammelt, seine Kunstkollektion umfasst rund 1.700 Blätter, darunter bedeutende Werke von Zeitgenossen, aber auch wertvolle grafische Originale und Drucke der alten Meister und der ostasiatischen Kunst. Bei Alfred Kubin lässt sich die im aktuellen Sammlerdiskurs vielzitierte Analogie von Sammler und Sammlung erkennen, denn seine Persönlichkeit spiegelt sich nicht nur in seinem eigenen Werk, sondern auch in seiner Kunstsammlung wider. […]
Das Motiv der Spiegelung des Sammlers in seiner Kunst- und Büchersammlung löst sich bei Alfred Kubin genauso ein wie der Künstlermythos von der Gleichung von Leben und Werk. Kubin ist der Connaisseur, der gezielt Werke erwirbt und Kunstschaffende anspricht, die seinem künstlerischen Kosmos entsprechen. Sein Sammelfokus ist ausschließlich auf Themen und Techniken gerichtet, die für sein eigenes Schaffen Relevanz haben. Formale, stilistische und ikonografische Details dienen ihm als kreative Anregung und als geistiges Reservoir, aus dem er schöpft. […]
Neben der Leidenschaft betonen gängige Begriffe des Sammelns stets auch den possessiven Impetus dieser Praxis. Kubin ging es keineswegs um das Besitzen per se, bei ihm gab es keine ökonomische Motivation, kein Prestigestreben, keine Legitimierung von Macht durch das Sammeln von Kunst. Im Zentrum seines Interesses stand stets die intensive Auseinandersetzung mit den Werken seiner Sammlung, die einen hohen Grad an Subjektivität aufweist und für Kubin vornehmlich ideellen und ästhetischen Mehrwert hatte. Sein Sammeln kann folglich als künstlerische Strategie betrachtet werden. Aus heutiger Sicht sind sowohl seine Kunstsammlung als auch seine Bibliothek wichtige Zeitdokumente und geben Aufschluss über Alfred Kubins künstlerische Weltanschauung und sein persönliches Kunstverständnis. […]
(Gerda Ridler)
[Katalog anlässlich der Ausstellung „Alfred Kubin und seine Sammlung“ vom 22. Oktober 2015 bis 14. Februar 2016 in der Landesgalerie Linz und vom 1. Juli bis 18. September 2016 im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg |
Hrsg. von Monika Oberchristl u. Gabriele Spindler |
Kataloge des Oberösterreichischen Landesmuseums N.S. 172]