Moswitzer
eine Kunstgeschichte
Ursula Riederer
ISBN: 978-3-99028-471-1
19 x 12 cm, 150 S., Broschur
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Kurzbeschreibung
und – Ich weiß nichts, und möchte noch weniger wissen – hatte der Clown, ihr Liebhaber gesagt – ich bin nichts, und möchte noch weniger sein. Sie liebte die falschen Männer. Sie hatte den Ehemann, den sie drangsalierte, sie träumte vom Clown, den sie heroisierte, und sie fühlte sich von beiden gequält.
Am Anfang ihrer Affäre hatte sich der Liebhaber noch oft entschuldigt, behauptet böse zu sein, Angst zu haben, sie zu verletzen. Er hatte erzählt, dass er, wenn er gar nicht mehr herausgefunden habe aus seinen Räuschen, sich freiwillig zu Entziehungskuren ins Krankenhaus einliefern habe lassen. Einmal sei er vormittags aus dem Bus gekollert, auf der Straße gelegen. Vor lauter Magensäure habe er Halsverätzungen bekommen, die Zähne seien ihm ausgefallen.
Das hatte Bilder in ihr entstehen lassen, der Clown als Kugel auf der Straße rollend, der Clown mit flammenden Rauchschwaden aus dem Hals, ein zahnloser, kleiner Drache. abenteuerlich, spannend, ganz und gar ungewöhnlich war ihr das gewesen. Immer verlor sie sich, träumte und trödelte.
Hätte sie Erfolg mit ihrer Arbeit, wäre alles besser. Sie war Kunsthistorikerin ohne feste Anstellung. Und sie hatte keine Lust mehr Projekte aufzureißen, bei aufgeblasenen Wichtigtuern für irgendwelche Aufträge zu schleimen. Und was sollte sie sonst?
Am liebsten saß sie vor dem Computer und recherchierte; da war sie unbehelligt, das wirkte wie Arbeit. Wissen, so viel sie wissen wollte, wabbelte im Netz. Wissensverknüpfungen, Verstrebungen, Verbindungen, Verstrahlungen, Ausstrahlungen, Metastasen. Meta, zum Beispiel – anspruchsvolle Vorsilbe: Metastase, Metaebene, Metasprache, Metamorphose, Metapher, metaphorisch, metaphysisch … schöne Wörter, scheiß Bedeutung – Und sie dachte still und dumm immerzu für sich herum.
Zur Entspannung setzte sie sich vor den Fernseher. Natürlich wusste sie, dass es blöd war, aber am liebsten schaute sie Serien, Hollywoodschnulzen, Realityshows – ‚Shopping Queen‘. Da rauschte die Welt an ihr vorbei, seltsamer Wirbel, und sie, sicher ins Sofa gedrückt. Das ging sie ja alles nichts an – unbehelligte Teilnahme, unbedarftes Denken. Hemmungslose Oberfläche. Verlogen vielleicht, aber offensichtlich.