Und werfen Steine in den Fluß
Kurzprosa
Marius Huszar
ISBN: 978-3-900878-70-2
21 x 15 cm, 46 S., m. Abb., Hardcover
11,00 €
Momentan nicht lieferbar
Kurzbeschreibung
Stetig
Besorgt beobachtet die Frau das Kind, das bis zu den Knien im Wasser steht und Steine sortiert.
„Komm endlich heraus!" ruft sie ihm ungeduldig zu, „du erkältest dich sonst."
Das Kind aber erwidert: „Mir ist nicht kalt", beugt sich vor und läßt einen rötlich glänzenden Stein ins Wasser plumpsen, daß es hoch aufspritzt.
Die Frau ist erschrocken. Das Kind hingegen lacht kreischend.
Dann watet es zu einem kleinen Wall, der das Wasser staut und sucht sich einen weiteren auffallend gefärbten Stein, mit dem es, vor Anstrengung keuchend, zu jener Stelle zurückkehrt, wo es den anderen fallen ließ.
„Was machst du denn … mit den schönen Steinen?" fragt die Frau zögernd.
„Ich schreibe meinen Namen in den Fluß," antwortet das Kind.
Die Frau schüttelt den Kopf, lächelt.
„Paß auf", sagt sie schließlich, „daß du auf dem glitschigen Boden nicht ausrutschst!"
Ohne darauf etwas zu erwidern, holt das Kind den nächsten Stein …
Der kleine Bach im Tal
„Ich kann deinem Gedankengang nicht ganz folgen," sagte sie. Sie stand auf dem schmalen Steg, der über den kleinen Bach führte, und schaute mich fragend an.
Ich hatte sie aus ihren Gedanken gerissen; Gedanken, die – soweit kannte ich sie bereits – der kümmerlichen Birke gegolten hatten, welche auf einem den Bach teilenden Felsbrocken hartnäckig ihr Dasein behauptete.
„Ich meine, hast du nie den Wunsch gehabt, einen großen Fluß hinunterzufahren, bis zur Mündung?"
Sie zuckte die Schultern und sagte: „Ich habe schon einmal eine Reise donauabwärts gemacht, wenn du das meinst.
Bis zum Schwarzen Meer allerdings hat es nicht gereicht."
„Ja, das habe ich gemeint. Und würdest du das gerne nochmal tun?"
Wieder dieses Schulterzucken: „Manchmal!"
„Das klingt aber nicht sehr überzeugt."
„Nun," sagte sie, „es wäre nicht mehr dasselbe."
„Genau das! Es wäre nicht mehr dasselbe. – Ob du es glaubst oder nicht: Ich bin in meiner Jugend noch in der Donau baden gegangen und einmal sogar im Rhein. Wenn ich aber heute am Ufer spaziere und diese braune, schmutzige …" – ich weiß noch, wie ich krampfhaft nach einem passenden Wort suchte, weil ich das erste, das mir eingefallen war, nicht sagen wollte und es dann doch sagte – „… diese schmutzige Brühe sehe, dann kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Der Fluß ist nicht mehr das, was er einmal war. Und wenn man bedenkt, wieviele Fische täglich durch die große Verseuchung sterben, wäre es Zynismus, noch immer vom Symbol des Lebens zu sprechen."
Es entstand eine Pause, eine Stille der Eintracht, – die sie schließlich mit einer Frage beendete:
„Möchtest du zur Quelle hinaufgehen?"
„Warum?"
Sie warf einen dürren Zweig, den sie schon eine Weile in der Hand gehalten hatte, in den Bach und schaute ihm nach.
„Ach, nur so," sagte sie. „Ich dachte, es müsse schön sein, den Ursprung zu kennen."
„Ja," sagte ich, „morgen, vielleicht!"