Dieter Kleinpeter – Sichtweite
[Malerei und Zeichnung auf Leinwand und Papier 1998 bis 2003]
Dieter Kleinpeter
ISBN: 978-3-85252-560-0
26 x 21 cm, [58] S., überw. Ill.; Beitr. teilw. dt. u. engl.
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Kurzbeschreibung
Mit e. Essay von Rainer Metzger u. „Geschichten vom Professor K.“ von Alf Schneditz
Dimensionen des Zweidimensionalen - Anmerkungen zu den neuen Arbeiten Dieter Kleinpeters
„Die erste Kunst, der Skulptur zunächst stehend, ist die Malerei. Sie gebraucht zum Material für ihren Inhalt und dessen Gestaltung die Sichtbarkeit als solche, insofern sich dieselbe zugleich an ihr selbst partikularisiert, d. h. sich zur Farbe fortbestimmt... Die Sichtbarkeit und das Sichtbarmachen der Malerei hat ihre Unterschiede als ideellere, als die Besonderheit der Farben, und befreit die Kunst von der sinnlich-räumlichen Vollständigkeit des Materiellen, indem sie sich auf die Dimension der Fläche beschränkt.“
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik (Einleitung, Kap. IV, Abschnitt 3: Das System der einzelnen Künste)
1. Es gibt nichts besseres, als ein Hegel-Zitat zu bemühen, um Dinge mit Sinn anzufüllen. Alles Fragmentierte, Lose, Individuelle wird mit Weltgeist versehen, mit der Logik des Übergreifenden und der Unerbittlichkeit eines So-und-nicht-Anders. Wenn man also über Dieter Kleinpeter redet sowie über die Tatsache, dass seine Kunst sich in allererster Linie als Malerei artikuliert, und wenn man es gleichzeitig müde ist, diese Arbeit in den diversen Konjunkturen und Obsoletheiten, Renaissancen und Verwerfungen zu verorten, in denen die Malerei dank Diskurs oder Marktchancen befinden mag, dann hilft einem Hegel über die erste Hürde hinweg. Malerei, heißt es da, hat als Material die Sichtbarkeit; ihre Mittel sind jene der Partikularisierung; das Faktum, dass sie der Fläche verpflichtet ist, erscheint gar als Befreiung; Beschränkung ist Emanzipation.
Dass Gemälde flach sind, hat man schlechterdings immer gewußt. Doch es war die Moderne, die daraus eine Philosophie machte. Manche drechselten daraus einen manifesthaften Slogan, Maurice Denis etwa mit seiner berühmt gewordenen Sentenz von 1890: „Man muss sich klar darüber sein, dass ein Bild, bevor es ein Schlachtross, eine nackte Frau oder eine Anekdote ist, eine Oberfläche ist, bedeckt mit Farben, die in einer bestimmten Ordnung gruppiert sind.“ Und manche stilisierten eine Meistererzählung, die unerhörte Geschichte von einem Lebens- und Weltprojekt, an dem alle teilhatten, wenn sie nur wach genug waren für den Geist der Aufklärung. Der große Epiker dieses Prozesses ist Clement Greenberg.
Künstlerische Moderne, oder wie er es nennt, Modernismus ist nach Greenberg eine Tendenz, die zunehmende, einer Bewegung, einer Linearität und einer Kontinuität unterliegende Konzentration, in der sich ein Medium auf seine unhintergehbaren Eigenschaften hin orientiert. Und was die Malerei angeht, Greenbergs Paradekunst, dreht sich alles um die Tatsache eben der Flachheit, der „Flatness“: Diese Konzentration auf das Ureigene ist Ergebnis ständiger Hinterfragung, eines „Self-Criticism“, so Greenberg, der einen Status Quo des künstlerisch Erreichten immer schon wieder dementiert und einen Mechanismus in der Veränderung in Gang setzt, der permanent abläuft und der in eine kalkulierte Richtung hin abläuft, denn er setzt am jeweils Erreichten an, um es weiter zu radikalisieren. Greenbergs Erfolg war, man weiß es, exorbitant. Die Moderne ist ein unvollendetes Projekt, und der Künstler treibt es voran in die Erfüllung ihres weltgeschichtlichen, geschichtsphilosophischen Plans.
Wo die Erfüllung lag, ließ sich bei Greenberg ebenfalls lesen, und zwar bereits in einem seiner frühesten Texte, „Towards a Newer Laocoon“ von 1940: „Unter dem Einfluß der rechteckigen Form der Leinwand tendieren die Formen zum Geometrischen - und zum Vereinfachten, denn Vereinfachung ist ebenso Teil der instinktiven Anpassung an das Medium. Am wichtigsten aber ist, daß die Bildfläche immer dünner und dünner wird, dass sie sich ausfaltet und die fiktiven Schichten von Tiefe zusammenpresst, bis sie sich als eine einzige auf der wirklichen und materiellen Ebene wiederfinden, die die eigentliche Oberfläche der Leinwand ist.“ Die Tendenz, soviel ist klar, geht in Richtung Abstraktion. Selbstkritik ist Emanzipation von der Figur. Das ist lupenreiner Hegelianismus.
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(Rainer Metzger)