Schreiben zwischen Lust und Schrecken
Essays zu Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek, Friederike Mayröcker, Marlene Streeruwitz
Ria Endres
ISBN: 978-3-85252-916-5
21 x 15 cm, 136 Seiten, Hardcover
15,00 €
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Kurzbeschreibung
Sich auf diese Nachkriegsschriftstellerin einzulassen bedeutete mehr als nur ein wie auch immer geartetes avantgardistisches Vergnügen, es waren auch Ausflüge in die Hölle weiblicher Psyche, Expeditionen ins Innere. Literatur, die durch ihre Signatur an den Nerven zerrt, gerade weil die Autorinnen so klug sind. Manchmal konnte ich nur schreiben, indem ich die Außenhaut ihrer Wörter betrachtete, manchmal vertiefte ich mich in die Entstehungsprozesse, die zugleich höchst unangenehme Erkenntnisse zwischen den Geschlechtern und der Gesellschaft offenbaren.
Rezensionen
Rolf Löchel: Beim ZahnarztRia Endres hat zehn ihrer Essays zu vier österreichischen Autorinnen in einem Band versammelt
Die Klage, dass die Thesen des Feminismus nur „verwässert in die Medienlandschaft einsickern“, wird nicht etwa angesichts publizistischer Reaktionen auf die Bücher neudeutscher Alphamädchen in der neuesten „EMMA“ geführt, sondern wurde bereits vor mehr als einem viertel Jahrhundert von der Schriftstellerin Ria Endres erhoben. Und zwar in einem Essay über Ingeborg Bachmann, deren Erzählungen und Romane in Zeiten ebendieser Verwässerung „wieder modern geworden“ seien. Gemeinsam mit neun anderen Essays zu österreichischen Schriftstellerinnen wurde er in einen soeben unter dem Titel „Schreiben zwischen Lust und Schrecken“ erschienenen Sammelband neu aufgelegt. In den zwischen 1981 und 2007 entstandenen Texten führt Endres die Lesenden in „Ingeborg Bachmanns Literaturkosmos“, die „Zimmerwortlandschaften einer Friedericke Mayröcker“, „Elfriede Jelineks Wortgebirge“, und in Marlene Streeruwitz' „entfernte Textgebiete“ ein. Reisen, bei denen es sich stets um „Ausflüge in die Hölle weiblicher Psyche“ handele.
Die drei Ingeborg Bachmann gewidmeten Texte beanspruchen nahezu die Hälfte des gesamten Bandes. In ihnen widmet sich Endres insbesondere dem Roman „Malina“ und der Erzählung „Undine geht“. Zudem verteidigt sie Bachmanns Lyrik nachdrücklich gegen verharmlosende Lesarten durch Bachmanns männliche Bewunderer. Das ist nicht sonderlich neu. Wie auch? Endres hat die Texte zu Bachmann bereits Anfang der 1980er-Jahre geschrieben. Seither ist die feministische Literaturtheorie mehr als ein viertel Jahrhundert vorangeschritten. So sind Endres' Ausführungen schon lange nicht mehr auf der Höhe des Diskurses. Auch erweisen sich die Texte des Bandes nicht immer als sonderlich literaturgeschichtsbewusst, wie etwa ein Blick in Franziska zu Reventlows Roman „Ellen Olestjerne“ (1903) zeigt, wurde „die Mutter“ keineswegs bis zum Erscheinen von Elfriede Jelineks Buch „Die Klavierspielerin“ (1983) „literarisch in eigentümlich verschwommener Weise geschont“.
Biete Bachmanns Literatur Endres zufolge schon eine „erbarmungslose Erkenntnis des Weiblichen und Männlichen“, so reiße Jelinek „mit schonungsloser Genauigkeit, ja Übergenauigkeit“ den Schleier „von der Möglichkeit existentieller Harmonie zwischen Mann und Frau“. Dazu benutze die Nobelpreisträgerin Sprache „wie ein[en] Zahnbohrer“, „der unerbittlich auf den Nerv drückt.“ Die Sprache von Streeruwitz bewege sich hingegen „an der Grenze des Schreibens“.
Zumal in Endres' ältere Interpretationen schleichen sich essentialistische Tendenzen ein. Sprache erklärt sie etwa, sei „von ihren Ursprüngen her gesehen magisch und zweigeschlechtlich“. So türme sich „die Symbolgewalt der patriarchalischen Metaphernwelt“ vor der „zu fernen Erinnerung des weiblich-archaischen“ auf.
Dabei ist ihre eigene Sprache selbst voller Metaphern und zwar in einem Maße, dass sie gelegentlich schon überfrachtet wirkt. Dann wieder ist sie, ungeachtet eines gewissen Wahrheitskerns, allzu emphatisch, allzu apodiktisch. So etwa wenn Endres erklärt, Ingeborg Bachmann liebe „die Wörter“ und verzweifle „an allem, was außerhalb der Wörter liegt. Ihre Sprache plappert nie. Jedes Wort ist eine singuläre Einheit, das (sic!) mit einer libidinösen Aura umgeben ist. Das Wort als kleinste Insel, als Herzland.“
Andere ebenfalls im Tonfall apodiktischer Gewissheit vorgetragene Behauptungen stellt Endres auf, ohne sie weiter zu begründen. So etwa, dass Schreiben „für alle guten Schriftsteller und Schriftstellerinnen vor allem ein Kampf gegen das Nichts“ sei. Aber dafür, so mag man der Autorin zugute halten, sind die Texte ja schließlich als Essays und nicht etwa als wissenschaftliche Abhandlungen ausgewiesen.
Bei all dem bietet Endres auch manch kluge Überlegung. So kommentiert sie Ludwig Wittgensteins Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ mit der Bemerkung, befolge man dies, so würde das den „Tod jeder Dichtung“ bedeuten. Ähnlich hat auch schon Theodor W. Adorno gedacht, der Wittgenstein entgegenhielt, die philosophische Anstrengung bestehe gerade in dem Versuch, darüber zu sprechen, was sich nicht sagen lasse.
(Rolf Löchel, Rezension für: literaturkritik.de Ausg. 04-2009 vom 12. März 2009)
https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12872