Josef Winkler – der Kinoleinwandgeher
Ein Film von Michael Pfeifenberger
Josef Winkler, Michael Pfeifenberger
ISBN: 978-3-85252-956-1
24 x 17 cm, 144 Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover
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Kurzbeschreibung
Der Film „Josef Winkler – der Kinoleinwandgeher“ ist frei, aufmerksam und subjektiv. Er zeigt Josef Winkler im Zentrum, spielt mit der Aura des Nah und Fern zugleich. Der Film spricht über Liebe und Tod, Kindheit und Jugend, Lesen und Schreiben, über den Umgang Josef Winklers mit der Angst um Sprache und Sprachlosigkeit. Ironisch, sarkastisch, leidenschaftlich und selbstentblößend. Es sind Szenen, Episoden von eindringlicher, oft atemloser Form. Der Protagonist will und muß sprechen, damit alle um ihn herum hören können, welchen Aufruhr sie hervorgerufen haben, welche Verstörungen sie nun ertragen müssen.
Rezensionen
Daniela Strigl: Dichterfilm, ganz unbetulichUnwiderstehliche Einführung in den leuchtend düsteren Kosmos eines Schriftstellers
Filmporträts von Schriftstellern neigen zu Betulichkeit und gediegener Anämie: Einsame Menschen gehen spazieren und in sich, suchen die Stille und ringen am Schreibtisch um Inspiration. Michael Pfeifenberger ist in „Josef Winkler – Der Kinoleinwandgeher“ andere Wege gegangen, blass ist an diesem Film nur der Titel. Beginnend mit der Initiation des Bauernbuben in die Kinowelt durch die Winnetoufilme mit Pierre Brice und Lex Barker, stürzt eine Bilderflut auf den Zuseher ein, die es in sich hat.
Schlüsselszenen der Kärntner Dorfkindheit (und der Winkler’schen Literatur) im messerscharfen Schnitt mit Totenverbrennungen am Ganges und buntem Friedhofstreiben in Mexiko: Monstranzen, Kruzifixe, durchschnittene Tierkehlen, die Silberklopfer in Benares, der glutspeiende Popocatepetl, ein alpenländischer Kuhstall aus grauer Vorzeit, der Kälberstrick, mit dem sich zwei schwule Burschen erhängen, der (echte) junge Josef Winkler bei Papst Wojtyla, Blutlachen, der allmächtige Vater in der Mühle, Totenköpfe aus Zucker, der kleine Bub im Bett, der Gott durch blasphemisches Schimpfen herausfordert.
Josef Winkler und Familie
Noch eindringlicher wirkt diese Mischung aus dramatischer Handlung, poetischen Assoziationen und Dokumentarischem durch die unorthodoxe Tonspur: Eine Mariachikapelle erklingt zu den rituellen Bädern im Ganges, klassische indische Musik zur Bauern-Wallfahrt.
Winkler, der bei Konzept und Drehbuch mitgewirkt hat, ist mit seiner Familie präsent, im kräftig roten Hemd, einer Prozession folgend, ein Glas Honig am Grab von Julien Green in Klagenfurt deponierend, das Notizbuch auf den Knien, in Indien, am Dia de los Muertos, dem Allerheiligentag, in Mexiko: „Denn bei den Toten bin ich gerne. Sie tun mir nichts und sind auch Menschen.“
In den Spielszenen verkörpert Winklers Sohn Kasimir den kleinen Sepp mit souveräner Duldermiene, die Texte des Dichters spricht Peter Patzak, klangvoll und dabei so, als hätte er Kieselsteine im Mund. Die Sprachnot des Büchner-Preisträgers wird als körperliche Erfahrung greifbar: „Wenn mir ein Satz nicht wie ein Mühlstein um den Hals hängt, wozu soll ich ihn dann loswerden?“ Pfeifenbergers Versuch, Winklers Schreibweise gleichsam filmisch nachzubilden, als ein Fest der Bilder und Obsessionen, der Wiederholung und der Verstörung, glückt gerade durch seine spielerische Unbekümmertheit. Auch der Autor hat offenbar zu einer entspannten Haltung gefunden, er vermag seine nekrophile Neigung mit Ironie zu betrachten, bisweilen wirkt er sogar verschmitzt.
So ist „Der Kinoleinwandgeher“ eine unwiderstehliche Einführung in den leuchtend düsteren Kosmos des Josef Winkler und, einen guten Magen vorausgesetzt, der passende Film zu Allerheiligen. Denn wem sonst ist es so ernst mit den letzten Dingen wie diesem Dichter, der in einem Interview sagte: „Wenn einen einmal das Katholische getroffen hat, wenn einem der Kirchturm vorne ins Herz gegangen ist und hinten wieder hinaus, dann wird man das nie wieder los.“ Koketter ist der Eigenbefund im Film: „Blut: Jesusfaktor Negativ“.
(Daniela Strigl, Rezension in der Furche Nr. 45/2009)
SW: Das Porträt eines Mannes, der aufbrach, die Welt das Fürchten zu lehren
„Schreibt Sätze aus meinen Büchern auf die Schleifen meiner Totenkränze, Sätze, die ihr besonders hasst“, notiert Josef Winkler, dessen Schreiben in Variationen um das Sterben kreist. Wie nähert man sich einem Schriftsteller, der sein Kärnten und sein Österreich als Orte der dumpfen Gesinnung zeichnet, wo der Katholizismus Spuren in verstörten Seelen hinterlassen hat, die zu keinem gemäßigten Leben mehr fähig sind?
Winklers Literatur ist eine der Extreme, wie reagiert der Filmemacher Michael Pfeifenberger darauf? Er hat einen Episodenfilm gedreht, der in Klagenfurt und im Drautaler Kamering, wo Winkler aufgewachsen ist, ebenso spielt wie auf den Fischmärkten der indigenen Mexikaner in der Provinz Colima und im Nationalmuseum von Mexiko City: „Zwölf Stationen, die uns vom geheiligten Stall eines kleinen Kärntner Bauernhofes zum Tanz auf dem Vulkan Popoquatepetel führen.“
Das Filmbuch versammelt Bilder, die mit Josef Winklers Lebenswelt in unmittelbarem Zusammenhang stehen, Bilder von Schönheit und Gewalt und von rätselhafter Fremdheit. Dazu diese Winkler-Sätze, die so mächtig im Raum stehen, als wollten sie Bilanz ziehen über das Leben der Menschen. „Außerdem steht mir niemand im Wege“, sagt Winkler über seine Eindrücke vom indischen Varanasi, „alle, die vor mir gestorben sind, habe ich überlebt.“ Gibt es eine Entsprechung des Film noir im dokumentarischen Bereich, dann ist Michael Pfeifenberger solch ein Werk gelungen.
(ath, Rezension in den Salzburger Nachrichten vom 11. November 2008)
https://kinoleinwandgeher.at/assets/sn_20081111.html