Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich
aus den italienischen Märchen von Clemens Brentano
Clemens Brentano, Karoline E. Löffler
ISBN: 978-3-99028-244-1
23 x 17 cm, [66] S., zahlr. Abb.: vierf., Hardcover
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Kurzbeschreibung
Genug, der König merkte, dass alles, was er dem Floh tat, der Prinzessin auch geschah, und deswegen ließ er dem Floh nichts abgehen, und auch das Kind Willwischen ward groß und stark.
Rezensionen
clt: Schaurig traurig Bilderbuch: „Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich“ – Clemens Brentano vermitteln
Im Märchen geht es bisweilen ungemütlich zu, so dass wilde Abenteuer, schrecklicher oder rätselhafter Zauber den Lesenden mitunter mitten ins Herz treffen.
„Der Baron von Hüpfenstich“ ist so eine Geschichte. Es ist eines der elf italienischen Märchen, die Clemens Brentano (1778–1842) nach den Vorlagen von Giovanni B. Basile verfasste. Im „Hüpfenstich“ bezieht er sich auf „Le Polece“, die Erzählung vom maliziös-listigen Floh. Dieser wächst mit Prinzessin Willwischen auf, streift bald sein Floh-Sein ab, und der König macht ihn zum Baron. Schon wird Hüpfenstich hoffärtig, er entführt die Prinzessin, verrät den König und landet am Galgen.
Das nun ist die Stunde des schrecklich rüden Wellewatz, der errät, wessen hat da baumelt, und sich jetzt die Prinzessin zur Gemahlin nimmt. Der Name Willwischen, der so viel wie Wissbegier bedeutet, bringt freilich nichts als Unglück – bis Hüpfenstich schließlich als schöner Prinz vor dem Mädchen steht. Das Märchen handelt von Überheblichkeit und Verrat, Aufstieg und Fall, von Starfe und Lohn, die Brentano in bittere Komik und dumpfe Tragik packt.
Karoline E. Löffler (Berlin) hat Brentanos Märchen von dem Baron Hüpfenstich (Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra) neu illustriert, die Bilder hat sie fühlbar auf den Text abgestimmt: Verspieltes, Schmückendes oder etwa wimmelnde Szenen gibt es nicht, es treten einzig die Hauptfiguren auf, holzschnittartig, in Märchenmanier. Wiewohl zurückhaltend gestaltet, geben sie in ihrer pointierten Gestik und Mimik die alles beherrschende, kurios kühle Rührung wider. Löffler hat Brentanos unerhörtes Märchen genau gelesen und legt zusammen mit dem Herausgeber Richard Pils ein schmuckes Buch vor.
(ctl, Rezension in den Dolomiten vom 14. November 2013)
Gabriele Doblhammer: Kunstmärchen aus der Romantik. (ab 8) (JM)
König Haltewort verspricht seiner sterbenden Frau, sich selbst um das soeben geborene Kind zu kümmern. Er schickt die Amme fort und will Prinzessin Willwischen selbst ernähren. Da taucht ein Floh auf und nährt sich an des Königs Blut. Bald merkt der König, dass alles, was er dem Floh tut, der Prinzessin auch geschieht: Ist der Floh gesättigt, ist es die Prinzessin auch. Wächst der Floh, wächst die Prinzessin auch. Als Willwischen 16 Jahre alt ist, will der Floh nicht länger im Verborgenen bleiben und auch die Prinzessin, die immer alles wissen will, brennt vor Neugierde. So tritt der Floh, ausstaffiert als Baron von Hüpfenstich, der Prinzessin gegenüber. Doch bis zum Happy End ist es noch ein weiter Weg, beide müssen sich durch viel Dunkel und Angst läutern und verwandeln.
Die colorierten Zeichnungen zeigen weder Prunk noch Witz, sondern in ernsthafter Schlichtheit Figuren und Szenen, darunter dunkle und gruselige, deren Bedeutung sich nur mit Hilfe des Textes erschließt. Und umgekehrt machen die Illustrationen den unverändert aus dem Werk Brentanos übernommenen Text leichter zugänglich. So ermöglicht das Buch Kindern ab 8 und Erwachsenen eine Begegnung mit der Epoche der Romantik, die fremdartig ist, aber auch faszinierend.
(Gabriele Doblhammer, Rezension in: bn.bibliotheksnachrichten 3/2014, S. 588)
Claudia Rouvel: Karoline E. Löffler, „Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich“
Da ist der wortgetreue König Haltewort, der einem Floh eine treffliche Hofkarriere als Edelknabe, Husarenobrist und Baron (von Hüpfenstich) ermöglicht. Und da ist Prinzessin Willwischen, die unbedingt wissen will, wer in der Haut dieses Tausendsassas steckt. Weil König Haltewort eine Heirat der beiden ablehnt, fliehen sie, gerate infolge einer Hofintrige in eine Falle und Hüpfenstich wird die Haut abgezogen. Ohne Wissen Willwischens. Nun will Willwischen nur den heiraten, der ihr sagt, wessen Haut am Galgen hängt. Das ist Menschenfresser Wellewatz. Verschleppt auf Schloss Knochenruh am Klapperbach naht Rettung in Gestalt der Frau Woche. Einst stillte diese das aufgrund seiner Neugier eine Woche zu früh geborene Willwischen, deren Mutter bei der Frühgeburt verstarb. Während der Flucht vor Wellewatz überlisten Frau Woches Söhne, die Wochentage, den Verfolger und liefern ihn der Justiz aus. Hüpfenstichs Seele lebte indessen in einem Kuchenhusaren weiter. Durch Verspeisen des Bachwerks erlöst Willwischen ihren Floh, der ein verzauberter Prinz ist. Willwischen heiratet den Prinzen und König Haltewort Frau Woche. Die sieben Söhne kriegen jeder ein Regiment.
Zwischen 1805 und 1811 übertrug Clemens Brentano 11 Texte aus dem „Pentamerone“, darunter „Der Floh“. Der romantische Dichter nahm absichtsvoll Veränderungen vor: sein „italienisches Märchen“ mutierte zur Gesellschaftssatire. Tierbräutigams-, Verfolgungs- und Erlösungsmotiv dienten nur als Versatzstücke, um ironisch-grotesk einen Mini-Fürstenhof samt Hofschranzen und Militärpersonal vorzuführen. Das verstehen auch heutige Kinder. Trotz sprachlich Fremden (was z. B. ist ein „Aderlassschnepper“?) ist die absurd-komische Geschichte sehr vergnüglich zu lesen bzw. vorzulesen. Kinder werden lautmalerisch-doppeldeutigen Namen (Schneider Höllenflickel, Schuster Schlappenpich, Rittmeister Zwickelwichs) und auch spöttisch adaptierten Lieder (vgl. „Des Knaben Wunderhorn“) mögen. Das Tanzlied „Laurentia, liebe Laurentia mein …“ übertrug Brentano auf Willwischen und die (damalige) preußische Hymne „Heil dir im Siegerkranz“ auf Wellewatz. Ironische Überzeichnung und kindisch naiver Strich kennzeichnen Löfflers pastellfarbene, schwarzweiß umrandete Monotypien. Außer Willwischens Stupsnase biegen sich allerorten großen Nasen und krumme Rücken devot erdwärts. Ornamentpapiere (Blumen, Gegenstände, Tapeten) visualisieren musterhaft das künstliche Milieu. Bestimmte Farben finden sich in Versalien und Signalworten wieder, was dem Textverständnis zuarbeitet.
Zum assoziativen Einstieg böten sich drei ganzseitige Illustrationen an: „Willwischen am Fenster“, „Willwischen und Hüpfenstichs Flucht“, „Hüpfenstich am Galgen“. Was könnte hier passiert sein? Nach Kenntnis des Textes könnte ein Motivvergleich mit Grimmmärchen („Der Froschkönig“, „König Drosselbart“, „Sechse kommen durch die ganze Welt“, „Die Wassernixe“ u. a.) nebst genauerer Betrachtung der Stilmittel die Bandbreite von Märchentexten erhellen.
(Claudia Rouvel, Rezension in: Der rote Elefant. Bücher und andere Medien für Kinder und Jugendliche, Heft 32, 2014, S. 71 f.)