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52 Pioniere in Wort und Bild
52 Pioniere in Wort und Bild Südtiroler Wochenkalender 2016 [plus] [ARUNDA 89 | Verlag Bibliothek der Provinz Red.: Hans Wielander …] Pi|o|nier, der (frz.), Wegbahner, Vorkämpfer Pioniere der modernen Architektur: Arunda Sektkellerei, 25 Jahre Frisches vom Bauernhof, Josef Beikircher, Beikirchers elektromechanische Werkstätte, Don Giancarlo Bertagnolli, Valentin Braitenberg, Sehganglien der Stubenfliege, Theodor Christomannos, Hans Costabiei, Flaas, Paul Flora, Fuchs Manfred, Bernd Gänsbacher, Bischof Josef Gargitter, Theaterschule Bruneck-Klaus Gasperi, Pioniere der Gastronomie, Anna Kirste Perwanger, Emma Hellenstainer, Hans Debeljak und Andreas Hellrigl, Giancarlo Godio, Claus Gatterer, Galleria GOETHE Galerie, Monika Hauser, Oswald Jaeggi, Jesuheim, Barmherzige Schwestern, Norbert Conrad Kaser, „Librika“-Universitätsbibliothek Bruneck, Johann Kravogl, Karl Kuppelwieser, Alois Lageder, Ansitz Löwengang – Alois Lageder, Blasius Marsoner, Reinhold Messner, Peter Mitterhofer, Museum Galerie Bozen, Maria Niederstätter, Das Leere und das Volle, Hermann Oberhofer, Luis Oberrauch, Obst- und Weinpioniere, Josef Perger, Herbert Pixner, Karl Plattner, Burkhard Pohl, Konzert im Marmorbruch, Politische Pioniere (Benedikter, Dietl, Magnago), Puni Whisky, Ing. Dieter Rudolf, Prof. Ina Schenk, Michael Seeber – Leitner AG, LEITNER ropeways, Hubert Stuppner, Jakob Tappeiner, Luis Trenker, Umweltschutzgruppe Vinschgau, Max Valier, Ulrich Veith (Pestizidfreie Gemeinde), Der Beregnungsphilosoph Ing. Volante, Jochwaal und Holzkandl, Dr. Friedl Volgger, Wasserballast Seilbahn, Wasserbetriebene Fernkraft, Weißes Kreuz (Landesrettungsdienst), Die Winterschule Ulten, Ing. Luis Zuegg. Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Rebsaft
Rebsaft [ARUNDA 83 | Verlag Bibliothek der Provinz. Red.: Ulrike Barcatta und Gianni Bodini. Hrsg.: Hans Wielander … ARUNDA in Zusammenarbeit mit dem Weingut Alois Lageder] Wein ist anerkannterweise ein Kulturgut des Abendlandes. Dennoch ist die Entstehung der Rebsorten und die Nutzung des Rebensaftes durch den Menschen immer noch nicht abschließend geklärt. Von den weltweit ungefähr 10000 Rebsorten werden nur 1368 zur kommerziellen Weinherstellung genutzt. Da die meisten Sorten von der wilden Weinrebe „Vitis vinifera“ abstammen, die bereits vor einigen Tausend Jahren domestiziert wurde, und nur ein kleiner Prozentsatz auf andere Spezies zurückgeht, die in den letzten Jahrhunderten vor allem in Nordamerika gezüchtet wurden, gilt ihr die Aufmerksamtkeit der Forschung. Onoarchäologen zufolge wurde ihre berauschende Wirkung zufällig von Steinzeitmenschen entdeckt. Allerdings ist es kaum denkbar, dass die „Steinzeitwinzer“ eine systematische Befruchtung weiblicher Blüten mit männlichen vorgenommen haben. Man nimmt daher an, dass sie sich bei der Kultivierung auf den kleinen Prozentsatz (2–3 %) der Subspezies „silvestris“ gestützt haben, die zwittrig ist, d.h. sowohl männliche als auch weibliche Blüten besitzt, und sich selbst befruchtet. Durch Selektion kam es dann in Jahrtausenden zu einer Rebe mit größeren Blütenständen und Beeren, die einen höheren Zuckergehalt und ein besseres Aroma erzielen. Wo genau dies geschah beziehungsweise wo die „Wiege“ des Weinbaus stand, ist umstritten. Einig sind sich die Forscher, dass die Ursprünge des Weinbaus (wobei sie sich auf die Kultivierung von Rebsorten und die Weinherstellung beziehen) im sogenannten „fruchtbaren Weindreieck“ liegen, dem Hochland zwischen Taurusgebirge (Osttürkei), dem nördlichen Zagrosgebirge (Westiran) und dem Kaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan). Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Kraut & Rüben
Kraut & Rüben Zur Kulturgeschichte von Kohl, Rüben und Sauerkraut im historischen Tirol und seinen Nachbarregionen [ARUNDA 99 | Verlag Bibliothek der Provinz] [Hrsg. vom Arbeitskreis Vinschgau/ARUNDA in Zusammenarb. m. d. Museumsverein Brunnenburg. Schriften des Landwirtschaftsmuseums Brunnenburg Nr. 20; Brunnenburg, 25.9.2020 – 25.9.2021.] [Hrsg.: Siegfried de Rachewiltz, Andreas Rauchegger. Mit Beiträgen von Siegfried de Rachewiltz, Andreas Rauchegger, Sabine Sutterlütti, Bernd Insam, Sonja Ortner, Sebastian Jopp, Christian Partl, Brigitte Vogl-Lukasser & Christian R. Vogl, Franz Jäger, Johann Zellner, Edith Hessenberger, Thomas Bertagnolli, Siegmund Schweiggl, Reinhard Zangerle, Joch Weißbacher, Josef Riedmann, Helmut Rizzolli, Michael Kasper, Burghart Häfele, Otello Fabris, Rosanna Pruccoli, Hans Wielander, Sebastian Marseiler, Erich Kofler-Fuchsberg, Carl Kraus, Gianni Bodini, Lois Fasching, Toby Kobayashi und Martin Fliri Dane.] Um wie viel ärmer wäre wohl die Nahrungsgeschichte der Menschheit ohne die Kulturpflanzen aus der Familie der Kreuzblütler? Wie trist wäre unsere Kulinarik ohne Weiß-, Rot-, Grün-, Schwarz-, Rosen-, Blumen-, Wirsing- und Spitzkohl, ohne Mai-Rübe, Rettich, Radieschen, Kohlrabi oder Brokkoli? Oder gar ohne Kressen, Meerrettich, Senf, Wasabi, Maca und Pak Choi – und obendrein noch ohne Sauerkraut? Alle die genannten Kulturpflanzen gehören zur Familie der brassicaceae und sind so, wie wir sie heute auf den Tisch bekommen, das Ergebnis sich über Jahrtausende erstreckender Züchtungen und Kreuzungen. Die Evolutionsgeschichte der Wildformen, von denen sie abstammen, ist allerdings viele Millionen Jahre alt. Wann und wo die Familie der Kreuzblütler-Gewächse ihren Anfang nahm, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Was das Wo betrifft, so neigt die Fachwelt zur irano-turanischen Floraregion als Ursprungsgebiet der brassicaceae. Diese Floraregion erstreckt sich ostwärts von Anatolien und umfasst die winterkalten Trockengebiete West- und Zentralasiens; in diesem Gebiet kommt auch die größte Artenvielfalt an Kreuzblütler-Gewächsen vor. Über ihre Entstehungszeit ist man sich ebenfalls recht unsicher: während molekulare Datierungen auf eine Evolution gegen Ende des Eozäns hinweisen (die Rede ist von einem Ursprung vor ca. 37 Millionen Jahren in einem tropisch-subtropischen Klima und der Evolution zu einer Trockenpflanze vor ca. 32 Millionen Jahren), sprechen paläobotanische und paläoökologische Daten für eine durch Klimaveränderungen bedingte „Auffächerung“ (Radiation) aus der Familie der Kaperngewächse/Cleomaceae im Miozän – vor etwa 19 Millionen Jahren. Die ältesten analysierten Pollen stammen aus der Türkei und sollen in etwa 16 Millionen Jahre alt sein. Wenn man von einer Kulturgeschichte der Kreuzblütler-Gewächse spricht, so meint man damit in der Regel die domestizierten Kulturpflanzen, die zu dieser Familie gehören. Allerdings sollte man nicht außer Acht lassen, dass, lange bevor Ackerbauern begannen, Gemüse systematisch anzubauen, Jäger und Sammler sich auch von Wildpflanzen ernährten. Und bis in die heutige Zeit haben Menschen nicht aufgehört, Wildkräuter sowohl als Nahrung wie vor allem auch als Heilmittel zu sammeln. Wir wissen also nicht genau, wie lange die Bauern der Frühzeit ihre Speisen lediglich mit wilden brassicaceae und deren Samen würzten – d.h. sie entweder in der freien Natur sammelten oder als „ungebetene Gäste“ am Rande ihrer Getreidefelder tolerierten –, bevor sie begannen, die eine oder die andere Pflanzenart in eingezäunten Gärten gezielt zu züchten. Voraussetzung dafür war die Entwicklung eines effizienten Bewässerungssystems. Da „bedingt durch die Nutzung der vegetativen Pflanzenteile die Erhaltung der Sämereien sehr gering ist“, und es zudem sehr schwierig ist, zwischen den Samen von wilden und kultivierten Formen wie z.B. der Brassica rapa zu unterscheiden, ist den Forschern meist große Vorsicht geboten, wenn es um Datierungen bei der Domestizierungsgeschichte der Kreuzblütler geht. Man erachtet es als sehr wahrscheinlich, dass Samen wilder brassicaceae in spätneolithischen Pfahlbausiedlungen der Schweiz zur Ölgewinnung verwendet und die Pflanzen möglicherweise dort sogar schon angebaut wurden. In Ermangelung handfester archäologischer und paläobotanischer Beweise hat man sich auch an die Sprachwissenschaft gewandt, denn bekanntlich gehören viele Pflanzennamen zum ältesten Wortschatz verschiedener Sprachen. Derartige Recherchen bestätigen zwar die Bedeutung domestizierter brassicaceae auf mehreren Kontinenten lange bevor es dafür schriftliche Zeugnisse gibt, sind aber für konkrete Datierungen nur bedingt zu gebrauchen. Einige Forscher haben darauf hingewiesen, dass die Konsonantenkombination g-r-d in mehreren Wörtern zu finden ist, mit denen man in indoeuropäischen Sprachen verschiedene Kreuzblütler und daraus gewonnene Gewürze bezeichnet – waren diese Laute eine Reaktion auf den scharf-bitteren Geschmack der in diesen Pflanzen enthaltenen Senfölglykoside? Auch die Konsonantensequenz r-p gibt Anlass zu Spekulationen, sie findet sich sowohl im altgriechischen Wort rápys (f) (Rübe) wie auch im lateinischen rapa/rapum und in vielen anderen indoeuropäischen Sprachen: Rübe, (ahd. ruoba), franz. rave, schwed. rova, engl. rape, litauisch ropé, russ. Répa. Verwandt sind damit die Wörter Raps, Rettich, Kohlrabi. Beim Versuch, die Etymologie dieses Wortes zu knacken, haben die meisten Linguisten die Waffen gestreckt, und so bezeichnet Julius Pokorny in seinem Wörterbuch das Wurzelwort rap/rep als „Wanderwort unbekannter Herkunft“, was konkret bedeutet, dass die Sprache, aus der es stammt, nicht eindeutig eruiert werden kann. Neben gr. rapys/lat. rapum taucht sehr früh auch napy/napu(s) auf. Daraus leitet sich spanisch nabo und französisch navet, aber auch das englische Wort turnip ab, genau genommen turn-naep, also eine runde Rübe. Sowohl paläobotanische, molekularbiologische und sprachwissenschaftliche Gründe sprechen dafür, dass Brassica rapa (Rübsen) die älteste der domestizierten Kreuzblütler ist. Es scheint ein gewisser Konsens darüber zu herrschen, dass der Rübsen entweder als Öl-Rübsen oder als Speiserübe mit den aus dem fruchtbaren Halbmond Kleinasiens in verschiedene Himmelsrichtungen wandernden Ackerbauern sich sowohl nach Europa wie auch in den Orient ausbreitete. Etwas leichter tut man sich bei den Kohlgewächsen: der vorwiegende Teil der mit ihnen verbundenen Bezeichnungen im heutigen Sprachgebrauch ist griechischen oder lateinischen Ursprungs, ein Hinweis darauf, dass die Züchtung und Nutzbarmachung dieser Gewächse im östlichen Mittelmeerraum begann, in jenem Gebiet, in dem altgriechisch gesprochen wurde. […] (Siegfried de Rachewiltz, „Zur Kulturgeschichte von Kraut und Rüben: Eine Einführung“)
HEILIGE
HEILIGE Legenden in Schrift und Bild [ARUNDA 90 | Verlag Bibliothek der Provinz] Brilliant geschriebene Legenden, immer auch mit politischen Implikationen, zur Hälfte erfunden und zur anderen Hälfte ergänzt, könnte man sagen. Ausgangspunkt ist das Aquarell, darin ist Schiestl ein erprobter Meister. Die Blätter, die den hohen Ansprüchen nicht genügen, werden zerstückelt, hunderte Fragmente liegen auf dem Arbeitstisch. Dabei entstehen phantastische Wesen, Geburten und Fehlgeburten mit Entsprechungen zum wirklichen Leben. Ähnlich wie die Aquarelle, werden auch die Heiligen zur Hälfte neu erfunden. (Hans Wielander) Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Reiner Schiestl
Reiner Schiestl Zeichner, Maler, Schreiber, Fantast. Geboren 1939. Akademie der Bildenden Künste in Wien. Germanistik-Studium. 1965 Rom-Stipendium. Atelier in Innsbruck. Inspiration vor allem durch gleichgesinnte Freunde und Studien-Reisen. Zahlreiche Ausstellungen, Buch- und Katalogpublikationen. Ab 1980 zweite Heimat in Medinaceli/Soria/Spanien. Liebe zur Vielfalt, breite Palette in den künstlerischen Techniken: Acrylmalerei, Aquarell, Tusch-, Pinsel- und Federzeichnung, Collagen, Radierung, Linolschnitt und Lithographie, Mosaik, Steinbildhauerei. Buchgestaltung, Keramik und Schmuck. Anregungen in der erwanderten Natur, durch literarische Vorbilder und Tagespolitik. Bevorzugte Themen: Landschaftsaquarell, groteske Zeichnungen, Heiligenlegenden. Langjähriger Mitarbeiter und Autor der ARUNDA, u.a. in: Farben in Tirol, Aussi, Der Schweif des Kometen, seit 2016 Arbeit an den zweibändigen bebilderten Heiligenlegenden, ARUNDA 90 und 98
Georg Mair: Die Heimatsucherin
Die Heimatsucherin Das Leben von Wolftraud Schreiber de Concini steht exemplarisch für das 20. Jahrhundert. Für die neue Ausgabe der Südtiroler Kulturzeitschrift Arunda hat die Autorin ihre Geschichte von Vertreibung und Suche nach den Wurzeln nachgezeichnet. „Ich bin eine Einzelgängerin. Anders zu sein, gibt einem eine große Freiheit.“ (Wolftraud Schreiber de Concini, Autorin) Wolftraud Schreiber lebt in dem Tal, in dem ihr Großvater im Ersten Weltkrieg für Kaiser Franz Joseph kämpfte, in Pergine im Valsugana. Ihr Großvater war ein Bürger des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, das 1918 in sich zusammenfiel. Das Böhmen, aus dem ihr Großvater stammte, war Teil des k.u.k.-Imperiums. Wolftraud Schreiber ist 1940 in Böhmen geboren, in einem Dorf namens Radowenz/Radvanice – es liegt heute in der Tschechischen Republik. Deutsch ist ihre Muttersprache. „Beim grünen Haus links“, hatte sie gesagt, „und dann halten Sie dort, wo der alte rote Volvo steht.“ Wolftraud Schreiber de Concini lebt in einem unauffälligen Reihenhaus am Rande von Pergine (die Südtiroler wissen ja wenig vom Trentino, aber Pergine ist ein Begriff, dort lag die „Irrenanstalt“, in der bis in die Gegenwart herauf die Südtiroler Psychiatriepatienten weggeschlossen wurden). In der Tür steht eine Frau voller Energie. Das Leben von Wolftraud Schreiber, 73, Autorin, Übersetzerin, Fotografin, ist exemplarisch für das 20. Jahrhundert. Mit 73 Jahren hat sie es in einem höchst bemerkenswerten Buch (erschienen als Nr. 84 der Arunda) aufgeschrieben. Es ist ein Buch über das Anderssein geworden, die erste Auflage ist nahezu vergriffen, der niederösterreichische Verlag „Bibliothek der Provinz“ plant einen Nachdruck. Es ist kein aufregendes Buch, kein larmoyantes Opferbuch, es ist eine tastende Suche nach Heimat, nach den Wurzeln. Nicht selbstgerecht, sondern vorsichtig sucht die Autorin nach den Bildern der Kindheit. Wolftraud Schreiber war fünf Jahre alt, als die Familie aus dem Sudetenland vertrieben wurde. Jetzt lebt sie seit 40 Jahren im Trentino. „Anders sein“, sagt Wolftraud Schreiber, „gibt Freiheit, wenn man anders ist, braucht man sich nie ganz einzuordnen.“ Sie sagt es so selbstverständlich, als würde das Anderssein auch nicht viel Kraft kosten. „Ich bin eine Einzelgängerin“, sagt sie, „in großen Gesellschaften verstumme ich.“ Sie braucht nicht viel zum Leben, erzählt sie, ein Auto, um wegzufahren, ein paar Schuhe zum Gehen und einen Menschen, der Heimat schafft. Sie ist eine kantige Frau, hager, klein, gespannt wie eine Feder. „Ich bin überzeugt“, sagt sie, „dass ich nicht alt bin.“ Man spürt bald, dass sie weiß, was sie will, dass wer sie überzeugen will, gute Argumente braucht. Bei Gelegenheit, denkt man sich, kann sie auch ganz schön zornig werden. Wir haben uns noch nicht hingesetzt, da hat sie uns schon eines ihrer Bücher hingelegt, einen Katalog mit ihren Fotografien und den Objekten und der Hinterglasmalerei ihres Lebensgefährten Olimpio Cari. Darin erklärt sie, warum sie nicht fotografiert werden will. „Ich weiß“, sagt sie, „dass Menschen dann anders werden.“ Ausgefragt werden will sie auch nicht, nur nach und nach lässt sie einen Blick hinter die Fassade zu. Sie will sich nicht entblößen, dabei hat sie selber einen scharfen Blick – das zeigt etwa ihr Buch über Minderheiten in Italien, das 2003 erschien. „Sie bohren ganz schön herum“, sagt sie. Eine Seite braucht es gerade einmal, um lakonisch, aber eindrücklich ihr Leben zu beschreiben. „Als ich zwei war“, heißt es gleich am Anfang von „Böhmen hin und zurück“, „wurde mein älterer Bruder an der Ostfront eingesetzt und kam in Stalingrad ums Leben. … Als ich fünf war, wurden wir aus unserer böhmischen Heimat vertrieben. Als ich sechs war, kamen wir als Flüchtlinge in ein norddeutsches Bauerndorf.“ Ihre Eltern wurden in der Habsburgermonarchie geboren, ihre Brüder als Tschechen, sie selber kam im „Reichsgau Sudetenland“ als Deutsche zur Welt – nachdem die Nazis diesen Teil der Tschechoslowakei besetzt hatten, in dem die deutsche Minderheit lebte. In den Sechzigerjahren studierte Wolftraud Schreiber in München Zeitgeschichte und Romanistik, lebte als Au-pair-Mädchen in Rom, arbeitete für die Nürnberger Zeitung. Im Zug nach Italien lernte sie Luigi de Concini kennen, zog nach Trient, schrieb und übersetzte. Es entstanden an die 30 Kultur- und Reiseführer – über Apulien, Sizilien, die Normandie, die Brenta und auch über Südtirol. „In Bozen“, sagt sie, „habe ich mich immer mehr daheim gefühlt als in Trient.“ Ein Projekt würde sie gerne noch verwirklichen: Sie würde gerne zu Fuß die Etsch abgehen, von der Quelle bis an die Mündung. „Ich habe dieses Buch schreiben wollen, ja vielleicht schreiben müssen“, sagt sie über ihre Reise nach Böhmen, auf den Spuren der Orte und der Landschaften, die ihr weiteres Leben geprägt haben. Mit den Händen knetet sie die Pfoten ihres Hundes. Es fällt ihr nicht leicht, einfach so zu reden, nicht ganz die Kontrolle über ihre Worte zu haben: „Worte sind für mich sehr kostbar.“ „Böhmen hin und zurück“ ist ein Buch, das aus einer inneren Notwendigkeit heraus entstanden ist. Ein Buch, das alte Wege abgeht, die eigenen Gefühle auf den Prüfstand stellt, die Landschaft wirken lässt, Gerüchen und Farben nachspürt, das sich vorsichtig den Menschen nähert, die jetzt in Radowenz/Radvanice und all den anderen Dörfern leben. Es will nicht Wunden aufreißen, sondern reden, es beschwört keine billige Versöhnung. Die Autorin weiß, dass die Erinnerung nur eine Rekonstruktion ist, denn was bleibt schon von dem im Gedächtnis, was man im Alter von fünf Jahren gesehen, gehört und erlebt hat? Was geblieben ist: Das Gefühl, in der Minderheit zu sein. Wolftraud Schreiber sagt in akzentfreiem Deutsch, sie könnte es genauso gut in akzentfreiem Italienisch sagen: „Ich glaube, Böhmen ist jetzt wieder meine Heimat geworden.“ (Georg Mair, Rezension in: ff. Das Südtiroler Wochenmagazin, No. 10/14, 6. März 2014, S. 48 f.)
Flickwerk
Flickwerk Flicken und Wiederverwerten im historischen Tirol [Parallelsachtitel: www.flick-werk.net ARUNDA 88 | Verlag Bibliothek der Provinz · Schriften des Landwirtschaftlichen Museums Brunnenburg, 15. Hrsg.: Siegfried de Rachewiltz, Andreas Rauchegger. In Zusammenarbeit m. Christiane Ganner] Das bäuerliche Leben in Tirol wie in vielen anderen Regionen ist seit jeher durch Not und Knappheit von Ressourcen bestimmt. Das Reparieren, Wiederverwerten und Umfunktionieren von Alltagsgegenständen spielte daher stets eine wichtige Rolle im Alltag der bäuerlichen Bevölkerung. In der Wegwerfgesellschaft, die in den westlichen Industriestaaten in den letzten Dekaden dominierte, galt eine solche Lebensweise lange als rückständig. Seit einigen Jahren ist hier jedoch ein Umdenken zu beobachten. Wegwerfprodukte werden zunehmend auf kreative Weise in neuwertige Produkte umgewandelt und dadurch aufgewertet – ein „Upcycling“, das in der bäuerlichen Kultur schon immer praktiziert wurde. Für weitere Informationen siehe www.flick-werk.net Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Trentino
Trentino Ein Lesebuch | Libro di letture [ARUNDA 85 | Verlag Bibliothek der Provinz. Hrsg.: Paul Preims, Hans Wielander.] Pferde, Esel und Kutschen auf dem Domplatz von Trient … das war einmal. Heute versammeln sich unter dem großen Brunnen Radfahrer, Tourenfans mit Mountain Bikes, Handysüchtige und Liebespaare. Essen, Träume und linguistische Migrationen aus reich sprudelnden Quellen – wie der barocke Neptunbrunnen des Trentiner Künstlers Antonio Francesco Giongo. Wasser plätschert über Marmor, sammelt sich in Becken, aus denen wir trinken. Auch Bilder müssen gelesen werden. Zusammen mit den Texten erklären sie Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kunst. Einige Texte sind nur deutsch, einige auch italienisch – Hinweis auf die Gegenwart beider Sprachen in unserem Lande. Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Die Zeit und das Holz
Die Zeit und das Holz Der Zimmermann Josef Tauber [ARUNDA 82 | Verlag Bibliothek der Provinz Hrsg.: Elisabeth Tauber, Gertrud Tauber] In diesem Buch wird über das traditionelle Handwerk des Zimmermannes Josef Tauber ein weiter Bogen vom Alten Wissen über das Bewahren hin zu Neuen Wegen gespannt. Das Buch versammelt Beiträge aus volkskundlicher, kunsthistorischer, architektonischer, journalistischer, unternehmerischer sowie medizin-wissenschaftlicher Perspektive. Ein Anliegen ist der Brückenbau zwischen altem Wissen, traditioneller Handwerkskunst und modernem Bauen mit Holz. Eine Hommage an das Holz, seinen Handwerker und das Wissen um die rechte Zeit. Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Böhmen hin und zurück
Böhmen hin und zurück [ARUNDA 84 | Verlag Bibliothek der Provinz. Mit Beiträgen von Milan Novák.] Der Zweite Weltkrieg geht am 8. Mai 1945 zu Ende. In den darauf folgenden Monaten werden die Angehörigen der deutschsprachigen Minderheit aus ihrer böhmischen Heimat, nun teil der neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik, vertrieben. Dies der historische Hintergrund, vor dem sich ein entscheidendes Kapitel im Leben der Autorin abspielt. Denn Wolftraud de Concini ist eine von den drei Millionen „sudetendeutschen“ Heimatvertriebenen. Jahrzehnte nach der Vertreibung kehrt sie in ihr Geburtsland Böhmen zurück: Anstoß zu einer Suche nach ihren Wurzeln, zur Suche nach Antworten auf die Frage, ob dieses Böhmen/Tschechien heute (wieder/noch) ihre Heimat ist, ob sie die Tschechen als Landsleute empfindet, ob sie von ihnen als Landsmännin empfunden wird. Sie beginnt sich zu erinnern, sucht alte Familienfotos und Papiere zusammen, fängt an aufzuschreiben. In knappen, „leisen“, scheinbar leichten Texten geht sie heikle, schwerwiegende Themen an: Vertreibung, Heimatverlust und Entwurzelung, das Flüchtlingsleben und das lebenslange Anderssein, und ein tschechischer Autor, Milan Novák, der sich hier und da einschaltet, bringt neue Gesichtspunkte in ihre Aufzeichnungen. In kleinen, sehr privaten Geschichten klingt die „große“ Geschichte an, zu einem besseren Verständnis zwischen den Völkern. Siehe auch Eintrag zur Ausgabe bei „Arunda. Rück Ein Aus Blicke (1976–2016)“, Dokumentation im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, herausgegeben von Irene Zanol in Zusammenarbeit mit Christine Riccabona und Erika Wimmer: (?).
Hans Wielander
Hans Wielander Südtiroler Kulturjournalist, geboren 1937 in Schlanders, Mitbegründer der Kulturzeitschrift ARUNDA, die seit 1976 erscheint. Foto: © Der Vinschger Eintrag bei Wikipedia: (?).
Reinhard Patscheider
Reinhard Patscheider 1957–1998 [ARUNDA 92 | Verlag Bibliothek der Provinz. Idee, Konzept u. Gestaltung: Tomas Eller. Beratung, Interviews u. Lektorat: Toni Bernhart. Alle Fotos sind Dias von Reinhard Patscheider.] Dieses Buch zeichnet das Leben des Extrembergsteigers und Ausnahme-Alpinisten Reinhard Patscheider (1957–1998) nach, und zwar anhand seiner eigenen Bilder. Patscheider hat ein sehr umfangreiches Archiv mit Dias hinterlassen. Der Langtauferer Künstler Tomas Eller und der Prader Schriftsteller Toni Bernhart haben daraus ein Buch gemacht. Darin enthalten sind eine Auswahl von Patscheiders beeindruckendsten Bildern und Auszüge aus seinen Expeditionstagebüchern. Patscheiders fotografischer Blick geht weit über das Dokumentarische hinaus. Er zeigt uns in seinen Bildern die Welt so, wie er selber sie gesehen hat. Ein weiterer, ebenso wichtiger Teil des Buches ist ein Feature, eine Art Hörspiel, mit Barbl Patscheider, der heute 92-jährigen Mutter von Reinhard. Sie erzählt darin in einem etwa 20-minütigen Gespräch über den Verlust ihres Sohnes, über die Trauer darüber, aber auch vom Ehrgeiz ihres Sohnes und seiner Begeisterung für die Berge. Dieses Gespräch ist die Textebene des Buches, die Reinhard Patscheiders Bilder gewissermaßen kommentiert. Auswahl von Rekorden und Erfolgen (großteils im Alleingang): 1979 Rekordbegehung von Ortler- und Königspitze 1981 Ortler, Zebru und König-Nordwand in der Rekordzeit von 10.5 Stunden 1983 Patscheider durchklettert die Eiger-Nordwand in einer Rekordzeit von 4 Stunden und 45 Minuten 1984 In 2 Stunden und 10 Minuten bezwingt Patscheider die Nordwand des Matterhorns 1985 Beim erstmaligen Himalayabesuch mit Reinhold Messner, Expedition Annapurna stürzt Patscheider 500 Meter tief ab und überlebt 1986 Rekord Besteigung der Nordwände von Eiger und Mönch im Berner Oberland in 11 Stunden, Besteigung des Fitz Roy in Patagonien in der Rekordzeit von 25 Stunden 1987 Höhenabfahrtsrekord auf Skiern von 8400 Metern vom Mount Everest 1995 Nord-Ostgrad Begehung / Mount Everest 1996 Trotz schlechter Wetterbedingungen bezwingt Patscheider den höchsten Berg Alaskas, den Mount McKinley in Rekordzeit über eine neue Route.
Schneid
Schneid Zur Kulturgeschichte der Schärfe im historischen Tirol [ARUNDA 91 | Verlag Bibliothek der Provinz · Schriften des Landwirtschaftlichen Museums Brunnenburg, 17. Hrsg.: Siegfried de Rachewiltz, Christiane Ganner, Andreas Rauchegger] Das historische Tirol hat wie kaum eine andere Gegend Europas eine auffallend große Vielfalt an Arbeitsgeräten hervorgebracht, bei denen es immer wieder um die Schneid geht – die fast wertlos ist, wenn die Schärfe fehlt. Die Nutzbarmachung der steilwandigen Täler wurde überhaupt erst durch scharfe Sensen und Sicheln ermöglicht; sie waren technische Voraussetzung jeglicher Bergbauernwirtschaft. Der arbeitende Mensch wurde aber auch zu allerhand Redewendungen und lebensphilosophischen Betrachtungen angeregt. Nicht nur die Sense hat Schärfe, auch der zwischenmenschliche Dialog wirkt geschärft oder bleibt stumpf. (Hans Wielander)
eardepfl • soni • patate
eardepfl • soni • patate Zur Kulturgeschichte der Kartoffel im Historischen Tirol und seinen Nachbarregionen [eard?pfl • soni • patate ARUNDA 93 | Verlag Bibliothek der Provinz Hrsg.: Siegfried de Rachewiltz, Christiane Ganner, Andreas Rauchegger] Die Kartoffel als eines der fundamentalen Lebensmittel der heutigen Zeit hatte einen beschwerlichen Weg zu gehen, bis sich ihre vielfältigen Nutzungen im Historischen Tirol durchsetzen konnten; und während ihre Verbreitungsgeschichte in verschiedenen Ländern Europas aus sozial- und wirtschaftshistorischer Sicht des Öfteren zum Thema vielfältiger Forschungsprojekte wurde und in entsprechende Publikationen eingeflossen ist, hat man ihrer Geschichte hierzulande bisher wenig Augenmerk geschenkt. In interdisziplinärer Zusammenarbeit wird versucht, diese Lücke zu schließen. Durch die Auswertung bisher unbeachteter Quellen wird ihre Verbreitungsgeschichte im Historischen Tirol rekonstruiert und die Entwicklung ihres Anbaues und ihrer Nutzung in der Gegenwart aufgezeigt. Dies alles auch, um zur ursprünglichen Vielfalt dieser außergewöhnlichen Knolle und zu ihrem naturbezogenen Anbau zurückzufinden. Amerika Die Geschichte der Kartoffel und die Geschichte der Psychologie haben merkwürdige Gemeinsamkeiten. Lange musste das, was wir heute Tiefenpsychologie nennen, auf wissenschaftliche Anerkennung warten, bis sie, hierin ähnlich der Kartoffel, weltweite Beachtung fand. Ohne Tiefenpsychologie können wir zur Not noch überleben, ohne das Weltnahrungsmittel Kartoffel würde vielen der Hungertod drohen. Faulende Kartoffeln zwangen die Menschen zum Verlassen der Heimat, ganze Landstriche wurden entvölkert. Im 19. Jahrhundert begann in Irland wegen der Schäden durch die Kartoffelfäule die massenweise Auswanderung nach Amerika. Und in Amerika fand die Tiefenpsychologie geradezu begeisterte Anhänger, was verschiedene Ursachen haben mag. Sie war die Botschaft der alles umfassenden Freiheit – auch und vor allem in sexueller Hinsicht. Bei uns wurde die Psyche ausschließlich in den Bereich der unsterblichen Seele verlegt, wohin uns nur das Gebet und der Glaube führen können. Mit der Tiefenpsychologie wurden neue Welten, ganze Kontinente entdeckt. Plötzlich lag das Unbewusste vor uns, wie aus einem Schattenreich auftauchend, obwohl äußerlich nichts wirklich Bahnbrechendes geschehen war. Der Traum, die Nacht, die Komplexe, die Verdrängung, das Traumatische, die Psychoanalyse als Therapie … alles wurde plötzlich denkend erforscht und man musste sich fragen, warum all dies bislang vernachlässigt und missverstanden wurde. Auch hier eine Übereinstimmung mit dem Schicksal der Kartoffel. Sie wurde rundum als unheimlich abgelehnt. Die Menschen haben sich durch falschen Gebrauch vergiftet, die Frucht wurde als Nachtschattengewächs verteufelt und erst das Gebot des Hungers half, die Vorurteile zu überwinden. Dann aber, als wäre ein Damm gebrochen, überflutete diesbezügliches Wissen die einschlägige Literatur und die Praxis. Es begann die wunderbare Vermehrung der Kartoffelkultur, die auch unsere Berghöfe erreichte. Auf dem Bozner Obstmarkt gibt es eine Überfülle von angebotenen Sorten, was eine flämische Hausfrau, die aus dem Kartoffelland Belgien stammt, sehr zum Staunen brachte. Die Kartoffel ist ein Geschenk der Inkas, stammt aus den Hochflächen der Anden und wurde bei uns weiter entwickelt und veredelt. Ältere Menschen erinnern sich noch an die Hungerjahre der Kriegszeit, die noch lange nachwirkten, als in größeren Haushalten oder auch in den Schülerheimen der so genannte „Toschg" serviert wurde, bestehend aus „versottenen" Kartoffeln verschiedenster Provenienz, also unterschiedlichen Sorten. Das war reine Ernährung ohne Genuss. Mensaessen an der Universität. Damit versöhnt wurde ich erst durch das Sonntagsessen bei einer Familie im Sauerland, Kartoffelkultur aus Westfahlen; die jungen Kartoffeln schmeckten herrlich, waren liebevoll zubereitet und dufteten. Dabei wurde auch über andere Zuspeisen geredet. Reis war für mich obligatorisch für den Sonntagsbraten. Nach dieser Bemerkung gab es verlegene Gesichter; die Hausfrau glaubte, etwas falsch gemacht zu haben. Die Lösung war eine geographische: Im Süden, also auch in Österreich und Südtirol, gab es schon lange eine Reistradition, die ja schon früh von der Poebene bis Wien reichte. Für einen Norddeutschen aber – dies ein weiteres Missverständnis – ist ein Essen ohne Kartoffeln kein richtiges Essen; Teigwaren und Reis werden weniger geschätzt. Und die Tiefenpsychologie? Sigmund Freud, der Hohe Priester dieser Theorie, war lange Zeit in Amerika der alles beherrschende Psychologe: Das Bewusstsein des Menschen ist naturwissenschaftlich ein Produkt von Stoffwechselvorgängen in den Zellen und Organen des materiellen Körpers. Das klingt schicksalhaft. Was bewirkt der reichliche Kartoffelgenuss, zum Beispiel im Pustertal und wie geraten die Menschen aus anderen Gebieten, die Weizen und Roggen vorziehen? Aber noch einmal zurück nach Amerika, dem Land, ans dem die Freiheit kam und die Aufklärung lebendige Zustimmung gefunden hatte. Von dort kommen, wie eine Art Widerhall oder Rache, ganz böse Nachrichten, die an frühere Hexenverfolgung erinnern: Alles Nackte ist des Teufels, überall müssen Brüste und Penisse verschwinden … Frauen und Männer werden wiederum geschlechtlos. Auch Kinderbilder werden verboten, ausgelöscht, aus den Museen entfernt. Nur die nackte Kartoffel, die ist noch erlaubt. (Hans Wielander)
Gianni Bodini
Gianni Bodini aus Leidenschaft Fotograf geworden. Unzählige Reisen auf allen Kontinenten aber am liebsten im Alpenraum. Autor vieler Bücher, Fotoreportagen und Artikel. Redakteur der Kulturzeitschrift „Arunda" und freier Mitarbeiter bei diversen Zeitschriften und Verlagen.
HEILIGE II
HEILIGE II Neue Legenden, erzählt und bebildert [ARUNDA 98 | Verlag Bibliothek der Provinz] Heutige Geister lächeln oft über den Heiligenkult und die Verehrung von Reliquien. Sie halten das für Bräuche aus einer überwundenen, ganz fernen Zeit und übersehen dabei gern, dass es sich hierbei um uralte Rituale handelt, praktiziert bereits bei den Sumerern und Ägyptern. Reliquien gibt es auch in der Gegenwart: Als solche werden heutzutage die Unterwäsche von Sexidolen, von Königinnen und Sportlerinnen versteigert … Was in unserem Mittelalter diesbezüglich passiert ist, war geradezu märchenhaft. Der Handel mit Reliquien und der Kult um sie wurde ganz ernsthaft wahrgenommen. Dass er mit einem Schuss Humor und augenzwinkernd gesehen wurde, kam erst viel später, zum Beispiel in den Büchern von Reiner Schiestl, bei seinen „Heiligen-Legenden in Schrift und Bild“ (2017) und in der Fortsetzung „Heilige II“ (2019). Das erste Buch hat erstaunlich viele Freunde gefunden, auch unter Theologen, und ist bereits vergriffen. Deshalb haben wir uns für eine Fortsetzung dieser amüsanten Betrachtungen entschlossen. Reiner hat zahlreiche seiner Aquarelle zerschnitten und die Teile zu neuen Bildern komponiert; er hat den Bruchstücken neues Leben eingehaucht, so wie die Kirche auf den Trümmern heidnischer Kulte neue Botschaften entstehen ließ. Ein besonderer Wundertäter an der Schnittstelle zum Heidentum war der Bischof Nikolaus von Myra. Einmal hilft der Heilige drei armen Mädchen mit goldenen Kugeln, die er durch das Fenster in ihr Schlafzimmer wirft. Mit dieser Mitgift ermöglicht er den Mädchen die Heirat, und sie waren nicht mehr gezwungen, sich als Prostituierte zu verkaufen. In einer mehr im nördlichen Europa erzählten Geschichte rettete der heilige Nikolaus drei Knaben, die tot und eingepökelt in einem Fass lagen, indem er sie wieder zum Leben erweckte. Im Süden sorgt der hilfreiche Heilige für die Moral. Im Norden überwindet er den Kannibalismus, der in heidnischer Frühgeschichte noch lange nachwirkte und den es bei den Kelten durchaus gegeben hatte, wenn man Caesar glauben darf. Das noch junge Christentum musste einen übermächtigen Götzenglauben überwinden, indem es das heidnische Weltbild mit noch größeren, christlichen Wundern überbot. Vergleichbares gelingt Reiner, indem er sich einen Kunsthimmel erschafft, mit vielen alten und gänzlich neuen Heiligen. Heilige II – Neue Legenden, das ist eine volkskundlich/theologisch/ästhetische Schöpfung, die vor allem mit Humor gelesen werden darf. (Hans Wielander im Vorwort)
Der weisse Tisch
Der weisse Tisch Geschichte einer Südtiroler Familie [ARUNDA 97 | Verlag Bibliothek der Provinz.] Eine faschistische Kindergärtnerin warnte den kleinen Karl: „Wenn du die Balilla-Uniform nicht anziehst, bekommst du später einmal keine Arbeit!“ Mein Bruder wiederholte diese Drohung besorgt am Mittagstisch. Aber unser Vater hat nur gelacht: „Sagst der Lehrerin, wir arbeiten nicht gern!“ Tatsächlich hat der Bub dann der Lehrerin diese Antwort gegeben. Sie fühlte sich verspottet und machte Meldung; es folgten Besuche durch faschistische Funktionäre, Carabinieri, Verhöre, Mahnungen. (Aus dem Kapitel „Die Großfamilie“)