Was man hier verloren hätte
Erzählungen
Claudia Bitter
ISBN: 978-3-85252-443-6
17 x 12 cm, 80 Seiten
€ 5,00 €
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Kurzbeschreibung
Ein ungemütliches und zugleich sehr österreichisches Buch. ... Poesie als Utopie, als Verrat am Selbstverrat, eine andere hellsichtige Art von Vergessen. (Christian Loidl)
Herausgegeben vom Kulturamt der Stadt Linz
weintrinken
in den keller gehen, die steile treppe hinab, im letzten eck, von dort eine flasche wein holen, noch lange nicht die letzte, vorsichtig die flasche haltend die steile treppe hinaufsteigen, lange noch nicht die letzte flasche, heute die erste, die kellertüre nur anlehnen, die flasche auf den tisch stellen, nicht weit von der kellertür, auf den morschen gartentisch stellen, sich auf den stuhl beim tisch setzen, sich richtig hinsetzen, nichts denken, der korkenzieher liegt bereit, bereit an seiner stelle auf dem tisch liegt er, wartet auf das öffnen, den korkenzieher ergreifen, ihn fest in den korken drehen, ein ganz normaler gerader korken, kurz an einen sektkorken und seine form denken, dann wieder nichts denken, die Weinflasche zwischen die knie klemmen und mit einem schwung den korken herausziehen, dieses geliebte geräusch des korkenherausziehens, die offene flasche auf den tisch stellen, wie sie da steht, klar, grün, edel, voll, das etikett nicht lesen, sich nicht dafür interessieren, lieber die flasche berühren, ihre kühlheit spüren, sie vielleicht kurz an die wange halten, dann aber schnell in die küche gehen, ein weinglas aus der kredenz nehmen, das gewöhnliche achterlglas, das auf grünen wulstigen ringen steht, sehr gut in der hand zu halten, dieses gewöhnliche weinglas, es nicht gegen die sonne halten und auf Sauberkeit prüfen, nur zum tisch zurückkehren und es behutsam daraufstellen, sich hinsetzen auf den hölzernen stuhl beim tisch und endlich die flasche heben, wie schwer sie noch ist, trotzdem mit einer hand heben und einschenken, endlich einschenken, nichts denken, wie es gluckst,wie gelblich er rinnt dieser weißwein, wie kühl er schmecken wird, schon den geschmack auf der zunge spüren, wie gut kühl an so einem sommertag, nicht ganz vollschütten das glas, lieber öfter nachschenken, nicht an soda zum aufspritzen denken, nur pur, jetzt aber trinken, gezielt, etwas aufgeregt, nach dem glas greifen, heute zum ersten mal nach dem vollen weinglas greifen, es an den mund führen, zu den ausgetrockneten lippen hinführen, ein schlürfender erster schluck, der erste schluck wein heute, kurz im mund behalten, nicht lautlos schlucken, den zweiten schluck schneller und sicherer nehmen, noch ein paar schlucke, das kühle spüren, wie es hinunterrinnt, nicht daran denken, wo es genau hinrinnt, das glas wieder genauso behutsam hinstellen, woran jetzt denken, ans weintrinken, nur ans weintrinken denken, glas zum mund führen, trinken, glas hinstellen, nachfüllen, an nichts anderes denken, die Hasche wenigstens in den schatten stellen, das kühle tut so gut, so kühl, so allein tut es gut, nur manchmal rundherum schauen, die bäume, die wiese, das gras, die steine, zurück zum tisch, zur flasche wein, zum glas, zum mund, an nichts anderes denken als ans weintrinken und es auch gehörig tun, nichts anderes sehen wollen, nur diesen ausschnitt vom weintrinken, diesen ausschnitt der Wirklichkeit, so wie sie ist und wie es gut ist, die dämmerung nicht bemerken, später erst die plötzliche finsternis, und sich doch nicht wundern, ruhig sitzen bleiben im stuhl, sich nur vorlehnen, um nachzuschenken, sonst nach hinten gelehnt sitzen und trinken, mit blick auf tisch und flasche und glas, mit derselben ruhe und konzentration rauchen, die Zigaretten, etwas abseits von flasche und glas liegend, nehmen, anzünden mit demfeuerzeug aus der Hosentasche, es wieder in die Hosentasche zurückstecken, es nie auf dem tisch liegen lassen, alles so einfach wie weintrinken, einfach nur rauchen, an der Zigarette ziehen und dann den rauch ausblasen, irgendwann ausdämpfen, erst ganz am filter, am anfang nur eine Zigarette pro achterl rauchen, später nicht mehr daran denken, gar nicht mehr bemerken, wie viele zigaretten geraucht wurden und werden, nie das weintrinken vergessen beim rauchen, der wein steht an erster stelle, zuerst die Weinflasche und das glas, dann erst kommt alles andere, die flasche immer leichter zu heben, einschenken wird ein leichtes spiel, nie ganz voll einschenken, nichts verschütten, obwohl doch genug da ist, nichts denken, es einfach finster werden lassen beim trinken, nichts davon hören oder sehen, nur weingeräusche in sich und um sich, manchmal ein blick auf den korkenzieher, wie er wartet, auf die zweite, auf die nächste noch ganz kühle aus dem keller, jetzt etwas schneller trinken, die schlucke werden größer, der mund geräumiger, der bauch wohliger gefüllt, nur manchmal die klo-gänge, so weit wie möglich hinausschieben, dann aber doch, noch einmal ausgiebig aus dem glas trinken, es vielleicht sogar leertrinken, seufzen und sich aufraffen, schnell aufstehen, am anfang noch geraden Schrittes zum klo eilen, die türe offen stehen lassen, trotzdem kein blick auf den tisch, die flasche, das glas, später aufpassen, das hinunterspülen nicht vergessen, vielleicht den hosenknopf offenlassen, ohne umwege sofort wieder zum tisch zurückgehen, später vielleicht einmal stolpern, sich beruhigend wieder auf den stuhl setzen und gleich nach dem glas greifen, mit der anderen hand gleich nach der flasche greifen und das glas auffüllen, ...