
Isolde Fehringer
https://ergotherapieamfluss.at/ist selbständige Ergotherapeutin mit langjähriger Erfahrung im Kinderbereich. Lebt und therapiert im Mostviertel.
Isolde, dieses Buch ist euer zweites Werk. Worum geht es in den Kinderbüchern?
Um Kinder mit besonderer Reizverarbeitung. Im ersten Buch geht es um den Tollpatsch Bummbumm, einen propriozeptiv unterempfindlichen Bären – er spürt sich selbst nicht gut. In diesem Buch ist Mimi die Heldin. Sie ist eine entzückende Gans mit taktiler Überempfindlichkeit. Berührungen findet sie oft unangenehm. Mimi reagiert aufgrund einer andersartigen Reizverarbeitung im Gehirn auf Berührung, Druck, Temperatur oder Schmerz überempfindlich.
Wie wirkt sich das bei den Kindern aus?
Der Alltag dieser Kinder ist von drei möglichen Verhaltensweisen geprägt: Furcht, Flucht oder Kampf. Aufgaben im Alltag versuchen sie zu kontrollieren und zu verstehen, damit sie ja nicht in ein mögliches Dilemma geraten. Unangenehmen Situationen gehen sie prinzipiell aus dem Weg. Mimis wirken auch manchmal sehr stark und kommandieren alle herum, doch im Kern sind sie Mimosen, die verstanden werden wollen.
Hast du Beispiele, was Kinder wie Mimi im Alltag stresst?
Gesicht waschen, Zähne putzen, Frisieren, Essen mögen sie oft aufgrund der Konsistenz nicht. Bei der Kleidung stören Nähte, rutschende Socken werden zur Qual. Die Temperatur von Speisen und Getränken, aber auch die des Duschwassers muss stimmen. Außerdem können sie sehr wehleidig sein und empfinden lieb gemeinte Gesten wie Umarmen oft als unangenehm.
Wie kann man den kleinen Mimosen helfen?
Erstmals muss man diesen Kindern vermitteln, dass man sie versteht. Trotzdem kann man ihnen nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Es hilft, zuerst einen tiefensensiblen Reiz zu setzen (d. h. das Gehirn „vorbereiten“), um sie dann neue taktile Reize kennenlernen zu lassen. Beispielsweise Arme mit einem flächigen, festen Griff nehmen und dann erst mit Seife waschen. Ein paar dieser Möglichkeiten werden im Buch vorgestellt.
Für wen ist das Buch gedacht?
Wie bei Bummbumm sollen sich die betroffenen Kinder und deren Freundinnen und Freunde in der Geschichte wiederfinden können. Es ist ein Buch für gegenseitiges Verständnis. Auch der Familie und Pädagoginnen und Pädagogen zeigt es den richtigen Umgang mit diesen Kindern. Aber letztlich ist auch dieses Buch für alle da, denn jeder von uns hat Anteile von Bummbumm und/oder Mimi in sich …
Foto: © Amélie Chapalain